»INSTINKT«

Affenliebe

Anthony Hopkins spielt das Schweigen des Anthropologen

Bevor Anthony Hopkins in einer Fortsetzung von Das Schweigen der Lämmer wieder vor die Kamera tritt, darf er in Jon Turteltaubs Instinkt noch einmal den Charismatiker in Ketten geben. Zwei Jahre hat der Anthropologe Ethan Powell (Hopkins) im afrikanischen Urwald unter Gorillas gelebt, und abseits der Zivilisation scheint sich der gefeierte Wissenschaftler in ein wildes Tier verwandelt zu haben. Wegen zweifachen Mordes und schwerer Körperverletzung sitzt Powell in den Kerkern Ruandas ein. Die US-Behörden repatriieren den Gefangenen, der seit seinem Dschungelaufenthalt mit keinem ein Wort spricht. Im überfüllten psychiatrischen Hochsicherheitstrakt von "Harmony Bay" versucht nun der Jungpsychologe Theo Colder (Cuba Gooding Jr.) das Schweigen des Anthropologen zu brechen und erhofft sich von den spektakulären Fall einen Karrieresprung mit Bestseller-Chancen. Zwischen Yuppie und Häftling beginnt nun in der Verhörzelle ein verbaler Machtkampf, in dem der Patient deutlich überlegen ist.
Gezielt arbeitet Regisseur Jon Turteltaub ( Phenomenon ) hier mit einer Personen-Konstellation, die sich in Das Schweigen der Lämmer kassenträchtig bewährt hat. Allerdings entwickelt Anthony Hopkins im zotteligen Robinson-Crusoe-Outfit in Instinkt nur selten jene gefährlich-charismatische Aura, mit der er den genialen Bösewicht Hannibal Lecter seinerzeit ausstattete. Zu schnell zeigt sich hinter dem verwilderten Mannsbild die edle Seele, die ein Leben im Einklang mit der Natur predigt und die Errungenschaften der Zivilisation verachtet.
Auf ebenso aufdringliche wie einfältige Weise philosophiert Instinkt über das gestörte Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Die Unzulänglichkeit des menschlichen Daseins wird mit abgegriffenen Bildern aus dem amerikanischen Gefängnisalltag drastisch verdeutlicht. Dagegen werden in der Rückblendendramaturgie plakativ befreiende Kamerafahrten durch den afrikanischen Urwald gesetzt. Die Einfallslosigkeit der Regie, die zwischen Tier-, Knast-, Gerichts- und Familienfilm ungelenk hin- und herrobbt, wird nur noch durch die Banalität der Botschaft übertroffen: Von den Affen lernen, heißt lieben lernen. Am Schluß darf sich der geläuterte Anthropologe mit der vernachlässigten Tochter (Maura Tierny) aussöhnen, denn wenn die Welt schon nicht zu retten ist, sollen wenigstens die amerikanischen Familienverhältnisse wieder ins Lot kommen.

Martin Schwickert