JANE EYRE

Die Geschichte der Magd

Ein Emanzipationsthriller aus viktorianischer Zeit

Charlotte Brontë ist außerhalb Englands bestenfalls als Schwester von Emily, der Erfinderin des Frauenromans, bekannt. Im angelsächsischen Sprachraum aber ist ihr 1847 erschienener Roman Jane Eyre bis heute ein viel zitierter und verfilmter Klassiker. Dreiundzwanzig mal schon litt das Publikum mit der kleinen Waise Jane, die ein missgünstiges Schicksal erst zu einer märchenhaft bösen Tante verschlägt, dann ins Kinderheim und unter die Fuchtel eines überstrengen Direktors, und schließlich nach mannigfachen Umwegen und einer Affäre mit einem Großgrundbesitzer in die Selbständigkeit, zu zwei Heiratsanträgen und großem Glück. Das kann man erzählen mit Kitsch und Donnerhall, aber es geht auch anders.

Cary Fukunaga, der mit Sin Nombre schnell weithin bekannt und für südamerikanischen Realismus gelobt wurde, fängt seine durch und durch englische Neuerzählung kurz vor dem Ende an. Jane Eyre flieht aus einem großen grauen Haus, der Himmel hängt tief, die Wolken ballen sich, und alles bewegt sich so langsam, dass man glaubt, vor einem Ölgemälde zu stehen. Nur in der Ferne glimmt ein Licht. Janes Flucht setzt die Geschichte in Bewegung. Erst dann rollt die Haupthandlung in Erinnerungsschüben ab, was dem etwas länglichen Original zu klareren Konturen verhilft. Die dabei gewonnene Zeit investiert der Regisseur in die geduldige Betrachtung seiner Hauptpersonen; Jane Eyre als Hauslehrerin und Rochester Thornhill als junger Hausherr mit einer standesgenäßen Dauerverlobten. Nach allen Regeln der Gesellschaft können Jane und Rochester nicht zu einander kommen, nach ihren eigenen Regeln will Jane auch lieber frei sein als nur Geliebte, und nur Rochester kann es sich leisten, auf Regeln zu pfeifen.

Das Thema Selbstbestimmung und die unterschiedlichen Auffassungen von Liebe und Partnerschaft fesseln an dem Film weniger, mehr in jeder Szene die Bilder. Minutiös ausgeleuchtet, wie zufällig sinnreich kadriert, mit einem Fenster im Hintergrund, wenn es um Pläne geht, mit einer Brücke im Vordergrund, wenn ein Übergang im Plot ansteht, möchte man sich jedes davon als Poster aufhängen. Und doch rumort es unter dem Wohlgefallen immerzu, zuckt hier ein Auge, kräuselt sich da ein Mund" so dass die Schauspieler gar nicht so viel reden müssen, um ihre unzeitgemäße Affäre heute nachvollziehbar zu machen.

Wing

USA/GB 2010. R: Cary Fukunaga B: Moira Buffini K: Adriano Goldmann D: Mia Wasikowska, Michael Fassbender