JAZZ SEEN

Bilder mit Gefühl

Der Jazz-Fotograf William Claxton

William Claxton ist ein ungewöhnlicher Fotograf. Er gibt Anweisungen und grinst später leise in die Film-Kamera, dass (in diesem Fall:) die Jazzpianistin und -Sängerin Diane Krall sich gottseidank nicht an seine Anweisungen gehalten habe. Ihm sei es auch nicht um die Pose gegangen, sondern darum, sie leicht verlegen zu machen. Und den Moment, wenn die Verlegenheit wieder aufhört - den habe er fotografieren wollen.
Wenn William Claxton seinem Kumpel Helmut Newton davon erzählt, schüttelt der nur den Kopf: "Eine Stahlpresse presst Stahl, ich presse Fleisch!" sagt Newton, "emotionale Bindungen mit meinen Models kann ich mir gar nicht erlauben".
Bei Claxton war das von Anfang an anders. Beinahe jeder kennt seine melancholische Bilderserie des jungen Chat Baker, Schwarzweiß-Studien in Weltschmerz. Claxton will Emotionen in seinen Bildern und seinen Sessions. So ist er zu einem der größten Jazz-Fotografen geworden. Weil er aber ein typisches West-Coast-Gewächs ist, fehlt ihm die düstere Künstler-Attitüde. Claxton fotografiert alles, was ihm vor die Linse kommt, Mode, Freunde, Musiker, Schauspieler, Stilleben. In der Semi-Dokumentation Jazz Seen wirkt der alte Herr beinahe wie ein Amateur, wenn er fröhlich um die Musiker herumwuselt, keinen Aufstand macht wegen Technik und Licht und alles so nimmt, wie es kommt.
Julian Benedikt hat nach Blue Note ein zweites Mal Jazz zum Thema gemacht. Er traut seinem Helden allerdings so wenig, dass er wichtige Szenen aus dessen Leben von Schauspielern nachspielen läßt; das wirkt in etwa so peinlich wie die "Im-Film"-Inszenierung am Ende von Annie Hall. Außerdem scheint es für den Film einen guten Deal mit dem Kunst- und Krawall-Verleger Benedikt Taschen gegeben zu haben: Am Ende findet eine Party in Taschens Haus statt, wo Claxton das Buch zum Film signiert. Das Buch Jazz Seen ist bei Taschen erschienen. Offensichtlich vor dem Film.
Den sollte man sich aber dennoch ansehen. Weil er einen sehr sympathischen Helden hat. Weil man viele von Claxtons großartigen Bildern zu sehen bekommt. Weil Till Brönner einen fantastischen Sondtrack zum Film eingespielt hat (erscheinen bei Verve). Und weil unhippe Typen wie ich lernen können, dass Vidal Sassoon nicht nur ein Schampoo ist, sondern auch ein Kerl. Der sogar sprechen kann.

Thomas Friedrich

D 2001. R&B: Julian Benedikt. K: Matthew J. Clark. OmU