»VERGESSENE WELT - JURASSIC PARK II«

Streichelzoo

Die Fortsetzung der Saurier-Saga ist eine Leistungsschau der Spezialeffekte

So richtig gerne mochte Jurassic Park wohl niemand; daß der Film mit weltweit ca. 916 Millionen Dollar Kinoeinspiel trotzdem recht erfolgreich war, lag daran, daß man den Film einfach sehen mußte. Dino-Mania, eine wirklich große Werbekampagne und angeblich täuschend echt aussehende Echsensimulationen brachten gewohnheitsmäßige Kinogänger genauso in die Lichtspielhäuser wie sensationshungrige Couchpotatos. Dabei waren die Computer-Saurier eher mau, beeindruckend höchstens die mechanischen Velociraptoren, die die Helden im flotten Finale in einer Großküche zu verspeisen gedachten.
Damit war aber nichts, der "Jurassic Park" wurde geschlossen und alle Saurier wieder in den Zustand der Ausgestorbenheit zurückversetzt. Alle Saurier? Nein, auf einer kleinen Nachbarinsel kreuchte und fleuchte es weiter, und in den paar Jahren seitdem hat sich eine recht beachtliche Population verschiedenster Urviecher entwickelt, ungestört von menschlicher Einflußnahme. Fischer aus der Gegend nennen die Insel verflucht, weil keiner, der in letzter Zeit einen Fuß auf das Eiland gesetzt hat, zurückgekommen ist. Auch die steinreiche britische Familie, die mit Yacht und Dienstboten am Strand picknicken will, würde die Insel nicht weiterempfehlen. Immerhin war das kleine Töchterchen beim Versuch, arglos sein Sandwich mit einem niedlichen Compsognathus zu teilen, böse verletzt worden. Überhaupt, Compsognathus - die Entdeckung aus Vergessene Welt : Mini-Saurier in Hühnergröße, von gewisser aufsässiger Niedlichkeit und durch ihr massenhaftes Auftreten durchaus an gutgelaunte Critters oder Gremlins erinnernd.
Die Geschichte nimmt aber erst nach der Picknick-Einleitung und einem herrlichen Schnitt vom wilden Strand des Eilands zu einem vor tropischem Hintergrund gähnenden Jeff Goldblum ihren Anfang. John Hammond (Richard Attenborough), der Initiator der ersten Geschichte, will eine Handvoll Wissenschaftler zu den Echsen schicken. Dr. Ian Malcolm (Goldblum), der seinerzeit schlechte Erfahrungen gemacht hat, lehnt dankend ab. Erst als er erfährt, daß seine Liebste, die unerschrockene Saurier-Verhaltensforscherin Sarah Harding (Julianne Moore), auf der Insel weilt, läßt er sich umstimmen und mit zwei Gehilfen, seiner Tochter Kelly und einer hochkarätigen technischen Ausrüstung auf die Insel verschiffen. Dort trifft er recht schnell die wackere Sarah, die gerade mit einem Triceratops-Baby schmust und beweisen will, daß Dinosaurier "liebende Eltern" sind.
Aber die Idylle wird schnell gestört: Hammonds verdorbener Neffe Peter Ludlow (Arliss Howard) landet mit einer Tierfänger-Expedition. Er will Saurier einfangen, in einem Jurassic Park in San Diego zur Schau stellen und damit noch viel reicher werden. Jawoll, denken wir da, tolle Idee, großartiger Konflikt - finstere Tierfänger gegen friedfertige Forscher -, auch ziemlich eindrucksvoll mit wirklich beeindruckenden Saurier-Hetzbildern illustriert. Da könnte was draus werden, unsere Helden werden die Bösen verjagen, den Compsognathus über die kahlen Schädel streichen und das vergessene Paradies wieder sich selbst überlassen. Aber leider war Drehbuchautor David Koepp (nach einem Roman von Michael Crichton) anderer Meinung: nach einer wirklich haarsträubenden Cliffhanger-Party unter Mitwirkung eines wirklich schlechtgelaunten Tyrannosaurus-Pärchens läßt er die Menschen sich verbünden und den Weg über die Insel zum einzig noch funktionierenden Telefon suchen. Womit der Film noch immer nicht zuende ist, zum Schluß kommt eine Mischung aus King Kong und Speed 2 und der Beweis, daß Tyrannosaurier wirklich keine Rabenmütter sind: Sie überlassen ihren Kleinen die schlimmsten Film-Bösewichter als ersten selbstgerissenen Appetithappen.
Vergessene Welt läßt nach einem ziemlich starken Anfang stark nach und erreicht bald das Niveau des ersten Teils, in dem die Geschichte nur dazu diente, die verschiedenen Saurier-Sequenzen miteinander zu verbinden. Die - immerhin - sind viel besser, Computeranimationen sind von mechanischem Viehzeug und echtem Gefleuche nicht mehr zu unterscheiden. Tyrannosaurier auf Zerstörungstour durch kalifornische Vorstädte, Velociraptoren bei der Jagd oder eine ansehnliche Compsognathus-Meute beim Bösewichter-terrorisieren: alles bestens und natürlich besser als die menschlichen Schauspieler. Was die mit lustigen Dialogen auszugleichen versuchen. Aber gegen Dinos kommt kein Goldblum an, nichtmal wenn er ein Tyrannosaurus-Baby auf dem Schoß hält.

Jens Steinbrenner