»DER KAISER UND SEIN ATTENTÄTER«

Mord-Fake

Versteckspiele mit der chinesischen Zensur

Wer in China einen Film über große Politik machen will, muss weit in die Geschichte zurückgehen, um der Zensur zu entkommen. Regisseur Chen Kaige ( Lebewohl meine Konkubine ) begibt sich mit Der Kaiser und sein Attentäter in die blutige Gründungszeit des chinesischen Reiches im dritten Jahrhundert vuZ. Ying Zheng (Li Xuejian), der König von der Provinz Qin, träumt von einem vereinigten China, seine aggressive Armee erobert ein Königreich nach dem anderen. Er verspricht, was alle Herrscher versprechen: ein friedliches Leben in einem geeinten Land. Lady Zhao (Gong Li), die Konkubine des Monarchen, glaubt an die vaterländischen Visionen des Herrschers und versucht, ihn bei einem Komplott zu unterstützen. Sie soll in der Provinz Yan einen Attentäter für einen fingierten Mordanschlag auf Ying Zheng anheuern, damit dieser einen militärischen Überfall auf das Nachbarland rechtfertigen kann. Der professionelle Samurai-Hitman, den Zhao engagieren soll, hat sich jedoch mittlerweile in einen überzeugten Pazifisten verwandelt. Während die schöne Konkubine versucht, den Attentäter zu einem letzten Mord zu überreden, muss sie feststellen, dass sich ihr geliebter Monarch zunehmend in einen brutalen Schlächter verwandelt. Angesichts des Terrors beschließt Zhao nun einen echten Mordanschlag in Auftrag zu geben.
In voller epischer Breite und nicht ganz frei von patriotischen Untertönen wandelt Regisseur Chen Kaige durch die bluttriefende chinesische Frühzeit. Der Versuch, große Geschichte in persönlichen Konflikten nachvollziehbar zu gestalten, funktioniert nicht immer. Gong Li ist zwar auch mit dekorativem Brandzeichen auf der Wange schön anzusehen, aber ihre männlichen Kollegen agieren etwas hölzern in den historischen Kostümen. Wie so oft bei chinesischen Filmen, sorgt die deutsche Synchronfassung wieder für irritierende Verfremdungseffekte. Der Kaiser und sein Attentäter ist mit einem Budget von 10 Millionen Dollar der teuerste Film, der je in China produziert wurde, und natürlich ist die Ausstattung opulent. Ganze Paläste wurden detailgetreu nachgebaut. An Komparsen und berittenem Personal wurde nicht gespart. Nicht-digitale Massenszenen dieser Größenordnung sind wohl nur noch in totalitären Staaten möglich. Aber gerade in den Massensequenzen entwickelt Regisseur Kaige ein ungewöhnliches Gespür für Choreografie, Kameraperspektiven und Bildrhythmus, so dass selbst lang anhaltende Kriegsszenen nicht in dumpfem Gemetzel enden. Der Kaiser und sein Attentäter ist der erste Film von Kaige, der ohne größere Probleme die Zensur passierte, und der einzige Film, für den in der Pekinger "Großen Halle des Volkes" eine öffentliche Premiere genehmigt wurde. Ob das jetzt für das Regime oder gegen den Film spricht, sei dahingestellt.

Martin Schwickert