DER ROTE KAKADU

Zonenliebe
Dominik Graf portraitiert die frühe DDR und setzt der Politik eine Liebesgeschichte entgegen

Dass in der DDR-Vergangenheit noch viele, gute Filmgeschichten vergraben sind, ist eine Erkenntnis, für die das deutsche Kino fast fünfzehn Jahre gebraucht hat. Wolfgang Beckers Good Bye Lenin brachte den Durchbruch und bewies, dass man mit Ost-Themen auch im Westen und sogar auf dem internationalen Markt Kasse machen kann.
Ende der 50er Jahre bläst dem jungen Arbeiter- und Bauernstaat der Wind direkt ins Gesicht. Immer mehr DDR-Bürger verlassen die Republik durch die offene Grenze nach West-Berlin. Vier Monate vor dem Mauerbau kommt Siggi (Max Riemelt) nach Dresden und fängt am Theater eine Lehre als Bühnenmaler an. Es ist Frühling, die Sonne lacht, als er im Park auf ein paar Leute trifft, die Rock'n'Roll tanzen. Als der Plattenspieler mit der alles zersetzenden Imperialistenmucke eingeschaltet wird, rückt die Volkspolizei mit Gummiknüppeln an und treibt die Jugendlichen auseinander. Auf der Flucht vor den Vopos lernt Siggi Luise (Jessica Schwarz) und ihren Mann Wolle (Ronald Zehrfeld) kennen, die ihn in den Roten Kakadu einladen - das wildeste Tanzlokal in Dresden mit schummrigen Sitzecken und Tischtelefonen.
Luise träumt davon, Schriftstellerin zu werden, wurde aber nicht zum Studium zugelassen und muss einmal zur Bewährung in die Produktion in der örtlichen Schnapsfabrik, genau wie Wolle, der sein wildes Leben leben will ohne Rücksicht auf Verluste.
Es beginnt eine Dreiecks-Beziehung mit starken Kontrasten, in der unter dem steigenden Druck staatlicher Repression Liebe und Loyalität immer wieder neu verhandelt werden. Am Theater gerät Siggi ins Visier des linientreuen Dramaturgen Hurwitz (Devid Striesow), der ihn als Spitzel gegen Luise und Wolle einsetzen will und zur Belohnung mit einem Studienplatz winkt. Mit der Verhaftung Wolles spitzt sich die Lage zu. Als Siggi im August endlich den Mut findet Luise seine Liebe zu gestehen und mit ihr in den Westen rübermachen will, fahren die Armeekonvois schon Richtung Berlin.
Natürlich merkt man Grafs Der Rote Kakadu die Anstrengung an, mit dem das historische Sujet entstaubt und für die jüngere Kinogeneration zugänglich gemacht werden soll. Das Design schwelgt im Retrokult der 50er-Jahre und die Partystimmung im Kakadu wurde für die heutigen Spaßbedürfnisse ein wenig aufgemotzt. Aber wir sind hier eben im Kino und nicht im Geschichtsunterricht.
Lange ist im deutschen Kino eine Dreier-Kiste nicht mehr auf so zarte und nuancierte Weise beschrieben worden. Keine plumpen Romantikklischees und enervierenden Eifersuchtsszenarien, sondern eine fast schon französische Leichtigkeit, die jedoch am Druck der politischen Verhältnisse aufgerieben wird. Der Rote Kakadu beschreibt die Liebe und das Leben in einer jugendlichen Subkultur, die es in verschiedenen Formen zu allen Zeiten in der DDR gegeben hat. Wie die Bedrohung von Außen und die Bespitzelung durch die Staatssicherheit die Beziehungen untereinander sowohl intensiviert als auch zermürbt hat, zeigt Dominik Graf eindrücklich und in bunten Farben. Dass er dabei manchmal etwas überdramatisiert und sich die visuelle Gestaltung zu sehr im braven Retrostil verliert, sei ihm dabei verziehen.

Martin Schwickert
D 2005 R: Domnik Graf B: Michael Klier, Karin Åström K: Benedikt Neuenfels D: Max Riemelt, Jessica Schwarz, Ronald Zehrfeld