KALENDER GIRLS

Befreiende Nacktheit

Die wahre Geschichte eines Provinz-Skandals

In Großbritannien füllte die Story der elf ehrenhaften Yorkshire-Ladies, die sich zu wohltätigem Zwecke unbekleidet ablichten ließen, die Titelseiten. Eigentlich wollten sie nur ein wenig Geld sammeln, um der Krebsstation des lokalen Hospitals ein neues Sofa zu spendieren. Von dem Erlös (bis heute 600.000 britische Pfund) des Kalenders, für den die Ladies sich beim Häkeln, Marmelade kochen, Torten backen und Narzissen gießen nackt in Pose warfen, hätten sie ein ganzes Krankenhaus kaufen können.
Regisseur Nigel Cole hat in der Geschichte zurecht einen vielversprechenden Filmstoff gesehen. Schließlich konnte Peter Cattaneos Ganz oder gar nicht 1997 eine ähnlich gelagerte "True Story" an der Kinokasse vergolden. Gemeinsam ist den strippenden Stahlarbeitern und den unbekleideten Mittelklasse-Hausfrauen, dass sie mit den Kleidern auch ihr soziales Rollenkorsett abwerfen und daraus die befreiende Komik der Geschichte entsteht.
Ein wenig spießig sind sie nämlich schon die Frauen, die sich Woche für Woche unter dem Banner des "Womens Institute" treffen. Vorträge über die vielseitige Verwendbarkeit von Broccoli und Kuchenbackwettbewerbe stehen hier auf dem Programm - bis Annie (Julie Walters) und Chris (Helen Mirren) beschließen, den Laden mit einem ungewöhnlichen Kalender-Projekt aufzumischen. Statt der Brücken von Yorkshire sollen im kommenden Jahr ihre Aktfotos die Monatsblätter zieren. Der Erlös soll dem Krankenhaus, in dem Annies Mann vor kurzem an Krebs gestorben ist, zu Gute kommen.
Im überschaubaren Städtchen wird der Kalender zum konspirativen Vorhaben, das hinter dem Rücken der Ehemänner und der tugendhaften Ortsleiterin Marie (Geraldine James) in Angriff genommen wird. Nachdem die Hüllen gefallen sind und der Kalender reißenden Absatz findet, gerät im Erfolgsrausch und Medienhype auch die Freundschaft zwischen der Chris und Annie auf den Prüfstand.
Wie schon in Grasgeflüster erzählt Nigel Cole diese skurrile Provinzgeschichte im herzwarmen Grundton eines Feel-Good-Movies. So sanft wie die hügelige Landschaft Yorkshires gleitet auch die Story dahin und serviert hier und da ihre trockenhumorigen Pointen. Gegen ihr Leinwandimage besetzt ergänzen sich Helen Mirren als lebenslustige Mittfünfzigerin und Julie Walters als zurückhaltend trauernde Witwe bestens und zeigen den ewig jugendlichen, zurechtgelifteten Hollywood-Kolleginnen die lange Nase.

Martin Schwickert

Calendar Girls GB 2003 R: Nigel Cole B: Juliette Towhidi, Tim Firth K: Ashley Rowe D: Julie Walters, Helen Mirren, Penelope Wilton