KALT IST DER ABENDHAUCH

Gut möbliert

Morde unter Freunden

In der deutschen Geschichte des letzten Jahrhunderts fehlt es keineswegs an Tragödien. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb wirkt der deutsche Film im Umgang mit tragischen historischen Stoffen immer etwas ungeschickt. Werke wie Aimeé und Jaguar hinterlassen einen unangenehmen Nachgeschmack, weil die NS-Vergangenheit allzu nassforsch als Kulisse in Gebrauch genommen wird.

Mit Kalt ist der Abendhauch (nach dem Roman von Ingrid Noll) versucht sich Rainer Kaufmann im Genre des Historiendramas. Es geht um eine große, unerfüllte Liebe, die im Berlin der 30er Jahre ihren Anfang findet. Schon als junges Mädchen verliebt sich Charlotte (Fritzi Haberlandt) in den Filou Hugo (August Diehl). Der techtelt jedoch mit Charlottes älterer Schwester Ida, und als diese von ihm schwanger wird, zwingt der resolute Vater (Vadim Glowna) die beiden zur Hochzeit. Charlotte muss sich mit dem langweiligen Lehrer Bernhard (André Hennicke) zufrieden geben. Die Männer ziehen in den Krieg, die Karten werden neu gemischt. In den Nachkriegsjahren beginnen Hugo und Charlotte eine Affäre. Als Bernhard typhusverseucht aus der Gefangenschaft nach Hause kommt, stirbt er einen Stolpertod an der Tischkante und wird im Keller eingemauert. Trotzdem hat das Liebesglück keinen Bestand. Erst als Greise treffen sie sich wieder, um eine Leiche im Keller zu entsorgen und sich ein letztes Mal in die Arme zu schließen.

Mit konventionellem Off-Kommentar und schlichter Rückblendendramaturgie erzählt Kaufmann seine Jahrhundertchronik. Auf der Vergangenheitsebene wird großes Gefühlskino herbeibeschworen, während die Wiederbegegnung der verliebten Tattergreise komödiantischen Charakter hat. Heinz Bennent und Gisela Trowe geben als seniles Liebespaar eine hinreißende Vorstellung. Als Historiendrama will Kalt ist der Abendhauch jedoch nicht recht funktionieren. Die verschieden Epochen werden ordentlich möbliert, aber die sterilen Kulissen vermitteln kein Gefühl für die jeweilige Zeit. Selbst die Trümmerjahre in Berlin sind hier eine blitzsaubere Veranstaltung. Kaufmann führt seine Liebesgeschichte routiniert, aber uninspiriert durch die Jahrzehnte, schwelgt nicht, sondern hakt die Stationen ab. Seine Figuren sprechen zwar von großen Gefühlen, und auch die Musiker im Off geben sich Mühe, aber irgendwie bleibt die Angelegenheit dann doch wieder zwischen Derrick und Vom Winde verweht auf halber Strecke liegen.

Martin Schwickert

D 2000 R: Rainer Kaufmann B: Kathrin Richter & Ralf Hertwig K: Klaus Eichhammer. D: Heinz Bennent, Gisela Trowe, August Diehl, Fritzi Haberlandt, 124 Min.