»LIEBE UND ANDERE KATASTROPHEN«

Frisch gepreßt

Ein Low-Budget Campus-Film mit Charme und Witz

Ein Uni-Campus ist ein abgeschlossener Ort. Hier werden Theorien, Lebensentwürfe und Liebschaften hin und herdiskutiert. Neurosen in ungewöhnlich großer Artenvielfalt gedeihen in diesem künstlichen Klima allerbestens. Die australische Regisseurin Emma-Kate Croghan, mit 23 Jahren selbst frischgebackene Filmhochschulabsolventin, betrachtet in Liebe und andere Katastrophen den selbstgenügsamen, universitären Mikrokosmos mit genügend Distanz, um daraus eine frische Komödie zu entwerfen.
Innerhalb weniger Stunden verwandelt die liebenswürdig-narzistische Mia (Frances O'Connor) ihr kleines Leben in ein komplettes Chaos. Der geplante Studienfachwechsel droht an der Universitätsbürokratie zu scheitern. Der Bibliothekscomputer fordert Mahngebühren in gigantischer Größenordnung ein, ein Dozent verweigert die alles entscheidende Unterschrift und erstickt zur falschen Zeit an einer Überdosis Donuts. Und dann ist da auch noch Danni, Mias Geliebte, die mehr will, als Mia zu geben in der Lage ist. Ihre Mitbewohnerin Alice (Alice Garner) hingegen geht die Dinge überlegter an, so überlegt, daß sie die Abgabe ihrer Abschlußarbeit zu dem brisanten Thema "Doris Day als feministische Kämpferin" seit nunmehr vier Jahren hinauszögert. Der Text liegt in der Schublade, aber irgendwie erscheint er ihr nicht gut genug. Auch ihr Liebesleben leidet unter dieser zögerlichen Haltung. Die Ansprüche an potentielle Liebhaber sind hoch: ehrlich, Linkshänder, gleiche Lieblingsfilme. Ausgerechnet in Ari (Matthew Dyktynski), den Schwarm aller Kommilitoninnen, verliebt sie sich. Dieser gutaussehende, schwarzgekleidete junge Mann philosophiert unentwegt existentielle Lebensweisheiten in ein Diktaphongerät hinein, was auch Michael (Matt Day), einen arglosen Mitstudenten aus der Provinz, sehr beeindruckt. Der wiederum verliebt sich in Alice, und damit ist der Screwball-Comedy-Plot perfekt.
Mit viel Gespür für Selbstironie, Situationskomik und "running gags" setzt Emma-Kate Croghan in ihrem Debütspielfilm dies wirre Liebesleben in Szene. Der Campus wird zum Abenteuerspielplatz. Innerhalb von siebzehn Tagen mit einem Budget von lächerlichen 45.000 Dollar gedreht, haben die zügigen Produktionsbedingungen dazu geführt, daß Liebe und andere Katastrophen ungewohnt spontan daherkommt und gleichzeitig wie aus einem Guß wirkt. Treffsichere Dialoge, lockere Schnittechnik, professionell-wackelige Kameraarbeit, frischer, unverbrauchter Erstlingscharme - die Begeisterung am Filmemachen ist in jeder Einstellung spürbar. Und ganz nebenbei entsteht ein Portrait der vielzitierten Generation X, das endlich einmal ohne miefig moralisierende Betulichkeit auskommt, weil sich die Generation hier selbst zitiert. Schmeckt wie frisch gepreßt und nicht nach Onkel Dittmeyer.

Martin Schwickert