KEINE SORGE, MIR GEHT'S GUT

Absturz ins Nichts

Ein Bruder verschwindet - und die Schwester wird darüber verrückt

Als Lili (Mélanie Laurent) nach einem Auslandsemester wieder zu ihren Eltern zurückkehrt, ist ihr Zwillingsbruder verschwunden. Es habe Streit gegeben, berichten die Eltern. Danach habe Loïc das Haus verlassen und sei nicht wieder zurückgekommen.
Lili kann es nicht fassen, dass ihr geliebter Bruder abhaut, ohne sich von ihr zu verabschieden. Ihre Nachforschungen bleiben ohne Ergebnis, genauso wie die Versuche, ihren Vater zur Rede zu stellen. Lili verzweifelt immer mehr, hört auf zu essen, kippt im Unterricht um und wird in die Psychiatrie eingeliefert, wo man sie von der Außenwelt abschotten und zwangsernähren will..
Erst als der Vater mit einer Postkarte des Bruders auftaucht, beginnt Lili wieder zu essen und findet ins Leben zurück. Regelmäßig treffen nun Ansichtskarten aus verschiedenen Orten Frankreichs ein. Die Texte sind lapidar und spenden nur oberflächlichen Trost. Der Riss, der durch ihr Leben geht, lässt sich nicht mehr kitten.
Phillip Loirets Film ist, ähnlich wie Francois Ozons Unter dem Sand, eine Geschichte über den Umgang mit dem Verlust eines geliebten Menschen. Man sieht förmlich, wie sich Lilis Persönlichkeit vor der Kamera Stück für Stück auflöst, weil ihr der Zwillingsbruder als wichtigste Bezugsperson verloren gegangen ist. Mélanie Laurent spielt den seelischen Absturz ins Bodenlose mit großer Überzeugungskraft.
Loiret, der hier einen Roman von Olivier Adam verfilmt hat, spitzt seine Handlung auf die Lüftung eines finalen Geheimnisses zu. Lilis Versuch, hinter das rätselhafte Verschwinden des Bruders zu kommen, hält auch die Spannungskurve des Films aufrecht.
Leider versteigt sich die Geschichte dann jedoch in eine doppelte Enthüllung, deren letzte Aufdeckung die Story retrospektiv in die Unglaubwürdigkeit katapultiert.

Martin Schwickert

Je vais bien, ne t'en fais pas F 2006 R: Philippe Lioret B: Philippe Lioret, Olivier Adam K: Sacha Wiernik D: Mélanie Laurent, Kad Merad, Isabelle Renauld, 100 Min.