»WHEN WE WERE KINGS«

Legenden

Der größte Boxkampf aller Zeiten: Muhammad Ali vs. George Foreman

Vielleicht geht When we were Kings als der Film mit der zeitintensivsten Post-Production in die Filmgeschichte ein. Im Herbst 1974 reiste der amerikanische Filmemacher Wolfgang Gast nach Kinshasa ins afrikanische Zaire, um dort einen Boxkampf und ein Musikfestival abzufilmen.
Aus den veranschlagten zwei Wochen Drehzeit wurden zwei Monate. Gast kehrte völlig pleite mit 100.000 Meter belichteten Material zurück. Er brauchte nahezu fünfzehn Jahre, um allein die Laborrechnungen zu bezahlen, und nach 22 Jahren in Schneideräumen und Konferenzzimmern kam When we were Kings nun 1996 auf die Leinwand.
Soviel Ausdauer hat sich bezahlt gemacht. Herausgekommen ist ein fulminantes Sportlerporträt über den Boxchampion Muhammad Ali, das in diesem Jahr mit dem Oscar für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde.
Muhammad Ali war der Größte, das behauptete vor allem immer er selbst.
Sein loses Mundwerk gegenüber Journalisten machten ihn genauso bekannt, wie sein kraftvoller, schneller Kampfstil. Dabei nutzte Muhammad Ali die Aufmerksamkeit, die die Medien ihm als Boxstar widmeten, vor allem für politische Statements. Ali hängte sich immer weit aus dem Fenster, zeigte mit dem Finger auf den amerikanischen Rassismus und wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er sich weigerte in Vietnam zu kämpfen. Ali war ein Prediger, der das, was er zu sagen hatte, direkt frontal in die laufenden Kameras hineinsprach. Einer, der mit der Sensationslust der Medien perfekt umzugehen verstand.
Natürlich geht auch Wolfgang Gasts Dokumentation oft dem charismatischen Charme des unwiderstehlichen Angebers auf den Leim. Aber Gast geht es ohnehin weniger um eine kritische Aufarbeitung, sondern vielmehr um die Ausleuchtung des schillernden, historischen Phänomens, um die Beschreibung des Mythos. Deswegen hält sich der Film auch nicht lange mit biographischen Recherchen auf. Verwandte, Nachbarn, Mitschüler und Lehrer werden erst gar nicht vor die Kamera bemüht.
Gast sucht nicht hinter den Kulissen nach vermeindlich authentisch-aussagekräftigen Material. Er konzentriert sich auf die Wirkung, die Ali als kraftstrotzender Vertreter schwarzen Selbstbewußtseins auf seine Zeit hatte ... und auf den legendärsten Kampf der Boxgeschichte.
Als Ali 1974 nach mehrjähriger Zwangspause gegen den WBA-Weltmeister George Foreman antreten wollte, gaben ihm die Fachleute keine Chance.
Dem windigen Geschäftsmann Don King gelang es, die beiden Boxstars für einen Kampf zusammenzubringen, und ausgerechnet Mobutu, der berüchtigte Diktator von Zaire, steuerte die erforderlichen 10 Millionen Dollar für den Kampf bei.
Und so reisten die US-amerikanischen Fans und der komplette Journalisten- und Organisationstroß zum Kampf nach Kinshasa. "Vor 400 Jahren war ich ein Sklave, und nun fahre ich nach Hause, um bei meinen Brüdern zu kämpfen" lautete die Message Muhammad Alis. Ein dreitägiges Musikfestival sollte dem Schwergewichtskampf vorausgehen. Afrikanische Musiker standen hier zusammen mit den Pointer Sisters, B.B. King, James Brown und The Spinners auf der Bühne. Ein afrikanisches Woodstock sollte das werden. Alles kam anders, als Foreman sich verletzte und der Kampf um sechs Wochen verlegt wurde. Präsident Mobutu verweigerte seinen Gästen die Ausreise, und so wurde die Wartezeit zu Dauerhappening.
Man merkt When we were Kings noch an, daß er ursprünglich als Konzertfilm geplant war. Wolfgang Gast bedient sich der von Feuilletonisten so gern gegeißeleten MTV-Ästhetik. Jedoch nicht nur die Musik und der schnelle dynamische Schnitt machen den Film zu einen kurzweiligen Vergnügen. Gast schafft es, die Wartedramaturgie des Boxerfilms auf seinen Dokumentarfilm zu übertragen.
Zeitzeugen wie Norman Mailer erzählen auch noch heute mit funkelnden Augen von der Spannung um den "Rumble in the Jungle". When we were Kings macht eine Legende lebendig, und das ist spannend von der ersten bis zur letzten Minute.

Martin Schwickert