THE KING'S SPEECH

Ein offenes Wort

Colin Firth lernt reden und regieren

In den guten alten Zeiten musste ein König nicht viel können. Wer in Uniform gut aussah und bei Paraden nicht vom Pferd fiel, konnte ganze Reiche ins Unglück stürzen. Heute aber, so beschwert sich König George V. von England, müsse ein König auch im Radio glänzen, ein Schauspieler sein. King George schüttelt sich angewidert und glänzt mit monarchischen Weihnachtsreden in den 30ern des letzten Jahrhunderts.

Sein jüngster Sohn Albert steht daneben und druckst herum. Er sieht zwar ganz respektabel aus, aber er stottert, und wenn er mal vor ein Mikrofon muss, wird es für alle Beteiligten peinlich. Und schon bei der ersten öffentlichen Blamage zeigt Regisseur Tom Hooper große Kunst im Weglassen. Ausführlich wird das Mikrofon als Angstgegner aufgebaut, zögernd schreitet der Delinquent vor das Gerät, zweimal versagt ihm die Stimme, Colin Firth guckt hilflos und ganz Britannien leidet, ohne dass wir das Elend weiter mit ansehen müssen.

Eine volle Rede gibt es erst zum Schluss. Da ist Prince Albert längst schon König George VI., weil sein älterer Bruder auf den Thron verzichtete, um eine Bürgerliche zu heiraten.

Die Affäre von Edward und Walli Simpson ist noch heute ein Aufreger auf der Insel und lenkt im Mittelteil etwas von der Haupthandlung ab. Die dreht sich um einen unkonventionellen Sprecherzieher, einen arbeitslosen Schauspieler aus Australien, der dem stotternden Königssohn hilft, zu seinen eigenen Worten und seinem Rhythmus zu finden. Ein bisschen My Fair Lady weht herüber, wenn Geoffrey Rush den steifen Adligen zu hemmungslosem Fluchen anstiftet, und Logopädie streift Psychoanalyse, wenn der Therapeut herausfindet, dass der Prinz von kleinauf unter Zurücksetzungen leidet. Eine prekäre Freundschaft entsteht, die immer wieder von den Standesunterschieden bedroht wird. Zwar rollt man beim Training auf dem Boden herum und redet sich mit Vornamen an, um Druck abzubauen, aber wenn Majestät unpässlich ist, hängt er auch mal den Unnahbaren raus.

Der Film spielt meistens in den Nebenräumen der Macht, zeigt Westminster Abbey etwa nur bei der Krönungsprobe, und macht sich den Spaß, Winston Churchill manchmal etwas in der Ecke herumgrummeln zu lassen. Das Drehbuch baut geschickt störende Zerwürfnisse in die Beziehung von König und Therapeut und feiert den Erfolg der Männerfreundschaft erst mit der Rede zur Kriegserklärung Englands an Deutschland. Der König meistert sie, am Mikrofon vorsichtig dirigiert von seinem Trainer, bravourös.

Nur Töchterchen Elizabeth, die gegenwärtige Königin, meckert nachher ein bisschen: "Papa, du hattest ein paar Hänger." "Die hab' ich absichtlich eingebaut", sagt er, "damit man weiß, dass ich es bin".

Das müsste für circa drei Oscars reichen.

Wing

GB/A 2010. R: Tom Hooper B: David Seidler K: Danny Cohen D: Colin Firth, Geoffrey Rush, Helena Bonham Carter, Guy Pearce