DIE KÖNIGIN

Großer weisser Vogel

Werner Schroeter porträtiert Marianne Hoppe

Man muß sich schon auskennen, man kriegt nix erklärt. Da sitzt eine 90jährige mecklenburger Landadlige gerade auf dem Sofa - und Evelyn Künneke schmeisst sich mit einem Lied aus alten Zeiten ran, "Sing Nachtigall, Sing" zu einem Swing-Rythmus. So konnte man das damals nicht machen.

Oder später: da liest sie vor, wie ein Mädchen ihren Mann beim Schwulsein ertappt, wie der sich erschiesst und wie sie ihn immer noch liebt. Nun, Gustav Gründgens überlebte die Ehe mit Marianne Hoppe (1936-1946), noch bis kurz vor seinem Tod 1963 traf sie ihn immer wieder auf der Bühne wieder - aber man merkt doch: hier will der Opern-Regisseur Werner Schroeter die Kunst irgendwas über das Leben sagen lassen. "Das ist doch montiert!" mokiert sich die Hoppe über das offizielle Hochzeitsfoto mit dem herrschaftsnahen Star-Intendanten; und Schroeter montiert weiter Ausschnitte aus frühen Hoppe-Filmen und späten Bühnenauftritten, Dokumentar-Aufnahmen und von jungen Schauspielerinnen noch mal nachgesprochene Rollen nach Anklangs-Prinzipien. Die Hoppe sitzt mit Goebbels im Kino, die Hoppe treibt im Film einen kriegsmüden Soldaten zurück an die Front, die Hoppe spuckt im Fernsehen zu einer Hitler-Rede aus ... alles spiegelt sich ineiander. Und wer die Bilder nicht erkennt, die Stücke nicht, noch die Leute ist eh gar nicht ins Kino gekommen.

Wer aber drin sitzt, kommt sich wie im Theater vor. Und wird seltsam berührt. Von Hoppes Strenge, von Schroeters Reduktions-Pathos, von den riesigen Löchern in der Biografie, das grösste ist über 30 Jare lang, in die keiner hineinfragt.

Man lernt nichts, wenn man nicht schon viel wusste, aber man ahnt, dass da noch viel mehr wäre.

WING

D 2000 R.: Werner Schroeter, B.: Werner Shroeter / Monika Keppler, K.: Thomas Plenert / Alexandra Kordes