Kohlhaas Oder Die Verhältnismässigkeit der Mittel

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Das witzige Making Of einer Sparproduktion

Kühe kann man reiten wie Pferde. In der Schweiz ist das ganz normal" behauptet Regisseur Lehmann (Robert Gwisdek), aber sein Hauptdarsteller hegt berechtigte Zweifel an dem kühnen Ersatzunternehmen. Immerhin geht es hier um Michael Kohlhaas, den Pferdehändler aus Dresden, den Heinrich von Kleist mit eherner Konsequenz gegen Willkürherrschaft kämpfen und untergehen ließ - und der verdammt noch mal nicht auf einem Ochsen angeritten kam.

Eigentlich hatte Lehmann ein großes Historienepos im Sinn, aber dann kommt am ersten Drehtag der Anruf: Die Finanzierung ist geplatzt, Pferde und Ausstattung werden abgezogen. Jetzt ist Lehmann fest entschlossen, seinen Film als No-Budget-Projekt durchzuziehen. Hatte nicht schon Kleist gesagt: "Ein freier denkender Mensch bleibt da nicht stehen, wo das Schicksal ihn hin stößt!"? Und der junge Regisseur begreift die Reduktion als Chance. Denn wer nichts hat, braucht Fantasie, muss sich ein Pferd denken, wo eine Kuh steht, gegen Bäume kämpfen als seien es Heerscharen feindlicher Soldaten, ein Lagerfeuer sehen und sich eine brennende Stadt vorstellen. Behilflich ist dem bankrotten Team die Dorfgemeinschaft von Speckbrodi, die über eine Burgruine und einige ambitionierte Laiendarsteller verfügt. Der Choreograf weist die Statisten in die befreiende Wirkung von Tanz und Körperarbeit ein und der Bürgermeister höchstpersönlich schlüpft in die Rolle des Bösewichtes.

In seinem Spielfilmdebüt Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel sinniert der Potsdamer HFF-Absolvent Aron Lehmann auf äußerst unterhaltsame Weise über die Möglichkeiten und Grenzen des Idealismus beim Filmemachen.

Einerseits ist der Film als Making-Off einer maximalchaotischen Produktion angelegt, andererseits zeigt Lehmann immer wieder Ausschnitte des in Arbeit befindlichen Werkes, in dem der Kleist'sche Stoff in filmischem Pathos erstrahlt.

Dabei geht es Lehmann trotz des komödiantischen Zugangs nicht um die Karikatur der Verhältnisse, sondern um die Kraft der Imagination, die die Widrigkeiten der Realität überwindet und die Kunst über die Wirklichkeit hinauswachsen lässt.

Martin Schwickert

D 2012 90 min B&R: Aron Lehmann K: Cristian Pirjol D: Robert Gwisdek, Jan Messutat, Thorsten Merten, Rosalie Thomass