DAS KONZERT

Die zweite Chance

Eine komödiantische Abrechnung mit der Breschnew-Ära

Andreï Filipov war einmal der Star-Dirigent des Bolschoi und ist heute der Putzmann für die Büros und Flure des ehrenwerten Hauses. In der Breschnew-Ära hatte er sich geweigert, die jüdischen Musiker auf Parteigeheiß zu entlassen und wurde vom Dirigentenpult mitten im Konzert wegbeordert.

Als er gerade den Schreibtisch des Theaterleiters abstaubt, trifft per Fax eine kurzfristige Einladung für das Bolschoi-Orchester ins Pariser Théâtre du Châtelet ein. Andreï unterschlägt das Schreiben und trommelt seine früheren Musiker zusammen. Mit der alten Truppe will er in Paris Tschaikowskys Konzert für Violine und Orchester endlich bis zum Schluss dirigieren.

Der bunte Haufen macht sich auf in die französische Hauptstadt, scheint jedoch mehr mit lukrativen Devisengeschäften beschäftigt als mit der Wiederaufnahme der musikalischen Karriere. Als Solistin will Andreï die französische Stargeigerin Anne-Marie Jacquet engagieren, mit der ihn mehr verbindet als die Liebe zur Musik.

Nach seiner respektlosen Komödie Zug des Lebens, in der eine Gruppe russischer Juden in einem gefälschten Deportationszug vor den herannahenden Nazis nach Palästina zu flüchten versucht, und nach dem Emigrationsdrama Geh und lebe lässt es der in Frankreich lebende rumänische Regisseur Radu Mihaileanu hier ein wenig leichter angehen.

Auch hier ist das Spiel mit den gefälschten Identitäten der Kern der lebhaften Komödie.

Köstlich ist die Sequenz, in der Andreï wie in einem Oceanīs Eleven-Film seine ehemaligen Orchesterkollegen, die sich mittlerweile als Möbelpacker, Handy-Verkäufer oder Flohmarktverkäufer verdingen, für den musikalischen Coup rekrutiert. Die osteuropäischen Musiker, die von einem Pariser Sinti-Clan verstärkt werden, bringen eine Menge anarchistischer Energie mit in die geordnete Welt westlichen Konzertmanagements ein.

Aber auch die tragischen Zwischentöne, die an die politische Unterdrückung der sozialistischen Vergangenheit erinnern, die viele Lebensentwürfe mit einem Handstreich zerstört hat, fügt sich bestens in das Konzept der ebenso burlesken wie melancholischen Komödie ein.

Auch hier überzeugt Mihaileanu wieder durch die cineastische Lebensenergie, die seine Figuren in humorvolle Steh-Auf-Männchen verwandelt.

Martin Schwickert

Le Concert F 2009 R&B: Radu Mihaileanu K: Laurent Dailland D: Alexeï Guskow, Dmitri Nazarov, Mélanie Laurent