Kriegerin

Nazibraut

Ein Szenefilm zur rechten Zeit

Eigentlich sieht Marisa aus wie ein nettes Mädchen von nebenan. So wie sie da im Aufzug des Krankenhauses steht, den Blumenstrauß für den Großvater in der Hand, ein Pony über den unruhigen, wachen Augen und ein paar lange Haarsträhnen, die das Gesicht einrahmen. Aber als sie sich beim Aussteigen herumdreht, sieht man auf dem Hinterkopf den halbrasierten Schädel. Die janusköpfige Frisur ist das Markenzeichen für Nazibräute, und Marisa macht keinen Hehl aus ihrer rechtsradikalen Gesinnung. Im Dekolleté trägt sie ein Hakenkreuz-Tattoo inklusive Reichsadler, und im Lebensmitteladen ihrer Mutter weigert sie sich, zwei afghanische Asylbewerber zu bedienen.

Marisa ist eine Kriegerin. So hat sie ihr Großvater schon als junges Mädchen genannt und ihr sein völkisches Gedankengut früh eingepflanzt. Ihr Körper und ihr Gang sind pure Energie und Aggression. Nur in den Augen funkelt manchmal etwas von der Zerbrechlichkeit, die sie tief in sich eingemauert hat.

Mit ihrem Skinhead-Freund Sandro und anderen Gleichgesinnten zieht sie randalierend durch einen Regionalzug. Der Schaffner ergreift die Flucht. Die Nazis verprügeln einen Vietnamesen und rufen "Sieg Heil".

Mitten hinein in die rechte Szene begibt sich David Wnendt mit Kriegerin und kommt gerade zur richtigen Zeit, wo sich Politik, Gesellschaft und Sicherheitsorgane nach der Verhaftung von Beate Z. und dem Auffliegen der Neonazi-Terrorgruppe NSU eingestehen müssen, dass sie das Thema Rechtsradikalismus dramatisch unterschätzt haben.

Wnendt hat über Jahre hinweg gründlich recherchiert, hat in Internetforen Kontakt aufgenommen, junge rechtsradikale Frauen interviewt, ist in Jugendclubs und auf Nazi-Demos gegangen. Aus dem gesammelten Material hat er die Figur der Marisa entworfen, der die hervorragende Alina Levshin eine enorme Leinwandpräsenz verleiht.

Marisa ist eine Überzeugungstäterin, die an ihre Grenzen gerät. Als einer der afghanischen Flüchtlinge nach einer Auseinandersetzung am Badesee ihr den Seitenspiegel vom Auto abtritt, packt sie die Wut. Sie fährt dem Moped hinterher und drängt die beiden mit einer kurzen, wütenden Bewegung des Lenkrades von der Straße ab. Als sie abends an den Tatort zurückkehrt, sieht sie die Blutflecken, und mit der Gewalttat schleichen sich langsam Schuldgefühle ein. Hinzu kommt, dass ihr Großvater im Sterben liegt, der für die Tochter einer alleinerziehenden Mutter Halt und Vorbild gewesen ist.

Als ihr Freund Sandro aus dem Gefängnis kommt, will er den rechtsradikalen Worten Taten folgen lassen. Auf einer Willkommensparty ist auch ein rechtsextremer Alt-Kader, der antisemitische Propagandafilme mitgebracht hat und Sandro eine gut gepflegte Wehrmachtspistole verkauft.

Diese Party, in der sich hemmungsloses Besäufnis, persönliche Konflikte und propagandistische Manipulation mischen, ist eine der besten Szenen des Films, weil hier die Komplexität der Gruppendynamik in der rechten Szene aufgezeigt wird. Kriegerin ist ein Film, der keine schlüssige Erklärung für das Phänomen Rechtsradikalismus liefern will, aber viele persönliche, politische und psychologische Facetten des Problems deutlich macht.

Martin Schwickert

D 2011 R&B: David Wnendt K: Jonas Schmager D: Alina Levshin, Gerdy Zint, Jella Haase