L.A. CRASH

Rassenkrach
Geschichten der fortgesetzten Missverständnisse

Los Angeles ließ sich einst als "Schmelztiegel der Nationen" feiern, in Wirklichkeit haben die dort lebenden Bevölkerungsgruppen ziemlich wenig miteinander zu tun. Sie leben aneinander vorbei, und wenn sie einmal wirklich aufeinandertreffen, ist es bei einem Behördengang, im Krankenhaus oder bei einem Autounfall.
Mit letzterem beginnt L.A. Crash, das Regiedebüt von Million Dollar Baby-Drehbuchautor Paul Haggis. Eine Asiatin ist auf den Wagen einer lateinamerikanischen Polizistin aufgefahren, die sie für eine Mexikanerin hält, also eine, die mit Sicherheit keinen Führerschein hat. Von hier bewegt sich die Geschichte weiter: zu einer hysterischen Politikerfrau, zwei Kriminellen (natürlich schwarz), einem persischen Geschäftsmann (das sind doch alles Terroristen) und einem weißen Streifenpolizisten (Berufsrassist).
Faszinierend ist, dass all diese Charaktere diesen Vorurteilen entsprechen könnten, aber nach und nach zeigt uns Haggis andere Seiten. Statt von oben herab zu erzählen, dass hinter einem Menschen mehr steckt als vorgefasste Annahmen, die man aufgrund seiner Rasse sowieso schon hat, blättert er ein paar Seiten weiter und lässt uns dies erleben.
Man ist versucht, das als einen Film über Rassismus zu beschreiben, aber Haggis Werk ist eher ein Film "mit Rassismus", weil er die in uns allen existierenden Ressentiments aufzeigt, anstatt so zu tun, als gäbe es diese Vorurteile nicht. All dies wäre immer noch langweilig, wenn Haggis nicht eine so bewegende und wahre Sammlung von kleinen Geschichten zusammengetragen und eine so ungewöhnliche Schauspieltruppe für seinen Film mobilisiert hätte: Sandra Bullock, Matt Dillon, Don Cheadle und der Rapper Ludacris liefern brillante Performances und ziehen uns in das dichte Netz dieser kleinen Ansammlung von Schicksalen und Geschichten, die in ihrer Summe ein absolutes Meisterwerk ergeben, das vielschichtiger und faszinierender kaum sein könnte.

Karsten Kastelan
USA 2005. R: Paul Haggis. B: Bobby Moresco, Paul Haggis. K: Michael Muro. D: Matt Dillon, Don Cheadle, Sandra Bullock, Brendan Fraser, Thandie Newton, Ryan Phillippe