Last Night

Fast Ehebruch

Keira Knightley, Sam Worthington und Eva Mendes testen Grenzen aus

Ein Paar bricht hektisch zu einer Party auf. In eilig hingeworfenen Sätzen sprechen Joanna (Keira Knightley) und Michael (Sam Worthington) durch geöffnete Türen in verschiedenen Räumen miteinander. Die Kamera folgt den schnellen, geübten Bewegungen, mit denen Schubladen und Schranktüren geöffnet, Schuhe abgestreift und Kleidungsstücke angezogen werden. In halbnahen, fließend geschnittenen Einstellungen erkundet der Film den Lebensraum der beiden und die alltägliche Vertrautheit, mit der sie in der gemeinsamen Wohnung miteinander umgehen. Erst als sie sich auf die Rücksitze eines Taxis fallen lassen, sind sie zum ersten Mal gemeinsam und klar erkennbar im Bild.

In dieser einfachen, aber ungeheuer präzise gestalteten Eröffnungssequenz ist ohne große Erklärungen das Terrain von Routine und Vertrautheit einer Beziehung abgesteckt, die nun innerhalb von einer Nacht und 92 Filmminuten grundlegend destabilisiert werden wird.

Nachdem Joanna ihren Ehemann auf der Party mit der neuen, sehr attraktiven Kollegin Laura (Eva Mendes) hat reden sehen, stellt sie ihn in einer hoffnungslos übersteuerten Eifersuchtsszene zur Rede. In die Defensive gedrängt, entschuldigt sich Michael am nächsten Morgen für einen Flirt, der eigentlich gar nicht stattgefunden hat, und bricht zu einer Geschäftsreise nach Philadelphia auf, an der auch Laura teilnehmen wird.

Selbst noch irritiert vom eigenen Eifersuchtsanfall, trifft Joanna auf dem morgendlichen Weg zum Coffee-Shop ihre frühere Liebe Alex (Guillaume Canet). Der französische Schriftstellerkollege ist gerade auf einer Geschäftsvisite in New York. Die beiden verabreden sich für den Abend, und so wie sich Joanna für das gemeinsame Diner zurechtmacht, ist klar, dass hier die ehelichen Treueschwüre zur Disposition gestellt werden. Währenddessen flirtet Laura mit entwaffnender Offenheit zwischen den Geschäftsterminen mit Michael, dessen moralische Verteidigungssysteme langsam nachzugeben beginnen.

Es ist eine alte und im Grunde genommen sehr französische Geschichte, die die iranisch-amerikanische Regisseurin Massy Tadjedin in ihrem beachtlichen Regiedebüt erzählt. Allerdings tut sie dies nicht in verspielter Form, sondern blickt mit analytischer Schärfe in die Abgründe der untreuen Herzen. Äußerst elegant geschnitten stellt sie den unterschiedlichen Umgang mit der Versuchung nebeneinander. Während Michael mit fest angezogener Handbremse in den Strudel des Begehrens gerät, wirft sich Joanna zunächst mit Verve in den Flirt, um die Grenzen des eigenen Gewissens zu erkunden.

Dabei geht in Last Night nicht um Parteilichkeiten im Geschlechterkampf und auch nicht um die Verteilung von Sympathiepunkten, sondern um die differenzierte emotionale Erkundung verschiedener Betrugsvarianten. Dabei ist vielleicht gerade die Figur der Laura, die Eva Mendes nicht als unmoralisches Luder, sondern als moderne, abgeklärte, einsame Frau darstellt, am ehrlichsten mit sich selbst. Tadjedin entwickelt in einer kristallklaren Bildsprache einen verurteilungsfreien Umgang mit ihren Figuren und findet den Mut zu einem wunderbar pointierten, offenen Ende.

Martin Schwickert

USA/F 2010 R&B: Mqssy Tadjedin K: Peter Deming D: Keira Knightley, Sam Worthington, Eva Mendes, Guillaume Canet