Lauf Junge lauf

Fluchthelfer

Ein Kinderschicksal in Polen 1942

Selbst wenn du alles vergisst, deinen Namen und vielleicht sogar Mutter und mich. Du darfst nie im Leben vergessen, dass du ein Jude bist!", schärft der Vater seinem Sohn zum Abschied ein.

Mit knapp neun Jahren gelingt dem fast neunjährigen Srulik 1942 die Flucht aus dem Warschauer Ghetto. Er schlägt sich in die weiten, unwegsamen Wälder Kampinoskis, wo auch andere jüdische Kinder Schutz vor den deutschen Besatzern suchen. Eine polnische Bäuerin Magda Janczyk nimmt den Flüchtling auf. Sie zeigt Srulik, wie er seine jüdische Identität verleugnet, weist ihn in die Grundregeln des katholischen Glaubens ein und erfindet eine fiktive Lebensgeschichte für den Jungen. Schon bald sagt Jurek, wie er sich nun nennt, "Gelobt sei Jesus Christus", wenn er bei den Bauern der Umgebung anklopft. Viele schlagen ihm die Tür vor der Nase zu, andere helfen dem Jungen und einige versuchen, ihn gegen ein Kopfgeld an die Nazis auszuliefern.

Es gibt viele Filme, die sich dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg aus der Kinderperspektive nähern, aber nur wenig, die dies so konsequent tun wie Pepe Danquarts Lauf Junge lauf. Basierend auf dem gleichnamigen Jugendbuchbestseller von Uri Orlev, der wiederum die Überlebensgeschichte von Yoram Fridman aufgeschrieben hat, gelingt Danquart ein ungeheuer dichtes Zeitporträt. Der Film zeigt eindringlich, wie die harten Erfahrungen die naive Weltsicht des Kindes verändern, dem nichts übrig bleibt, als mit seinen Ängsten über sich hinaus zu wachsen.

Gleichzeitig führt Lauf Junge lauf die ganze Bandbreite menschlichen Verhaltens in einem repressiven Regime: von bewusster Opposition, über schlichten, menschlichen Anstand, notwendiger Kaltherzigkeit bis hin zu opportunistischem Kalkül und Verrat. Diese Differenziertheit erlangt Danquart, weil er sich ganz nah an die Lebenserinnerungen Fridmans hält und sie weder zu einem ideologischen Lehrbeispiel, noch zu einem sentimentalen Rührstück ausbauen will.

Martin Schwickert

D/F 2013 R: Pepe Danquart B: Heinrich Hadding, Pepe Danquart K: Daniel Gottschalk D: Andrzej und Kamil Tkacz, Elisabeth Duda, Itay Tiran 108 Min.