DER LETZTE KÖNIG VON SCHOTTLAND

Präziser Blick

Mit Charme und Charisma: Whitaker macht Idi Amin nicht einfach zum 'Monster

Nur Acht Jahre, von 1971 bis ´79, war Idi Amin in Uganda an der Macht. Und doch zählt er bis heute zu den gefürchtetsten Gewaltherrschern Afrikas. Die Zahl der Opfer, die der Regierungszeit Amins zugeschrieben werden, schwankt zwischen 100.000 und einer halben Millionen Menschen.
Ähnlich wie Kollege Saddam Hussein wurde auch Amin zunächst nach einem unblutigen Putsch vom Westen hofiert. Schließlich hatte der Armeekommandeur sein Handwerk noch zu Kolonialzeiten in der britischen Armee gelernt. In den 70ern und weit darüber hinaus wurde Idi Amin jedoch zum Sinnbild des Schreckens. Hartnäckig hielten sich Gerüchte, dass der Diktator seine Opfer auch gelegentlich verspeise.
Um so überraschender ist es, wie Kevin Macdonald in seinem Porträt alle rassistischen Klischeefallen einfach wegwischt. Er hat dafür den idealen Schauspieler gefunden: Forest Whitaker, für die Rolle verdientermaßen mit dem Oscar ausgezeichnet, ist kein Schauspieler der sich selbstgefällig im Monströsen verliert.
Dem gleichnamigen Roman von Giles Folden folgend, erzählt der Film von den seelischen Abgründen des Diktators aus der Perspektive eines jungen schottischen Arztes. Eigentlich sollte Nicholas Garrigan (Jame McAvoy) nach dem bestandenen Medizinexamen die Praxis seines Vaters übernehmen, aber er entscheidet sich aus Abenteuerlust, als Entwicklungshelfer nach Uganda zu gehen. Als der gerade an die Macht gekommene Idi Amin in der Nähe einen Autounfall hat, wird Nicholas herbeigerufen.
Das entschlossene Auftreten des jungen Mediziners imponiert dem neuen Herrscher und er engagiert den Schotten als Leibarzt. Nicholas kann sich dem charismatischen Auftreten und den finanziellen Angeboten Amins nicht entziehen und gerät von einen Tag auf den anderen in den engsten Zirkel der Macht. Nur langsam realisiert der naive Mediziner die Dimension des Terrors, mit der sein Arbeitgeber das Land regiert.
Ohne sich an gewalttätigen Bildern zu weiden, zeichnet Der letzte König von Schottland ein sehr differenziertes Bild der Terrorherrschaft Amins. Dabei beobachtet der Film die historischen Ereignisse - wie die Ausweisung aller indisch-stämmigen Bewohner oder die Flugzeugentführung von Entebbe - nur aus dem Augenwinkel und konzentriert sich auf die Psychostruktur des Diktators.
Whitaker beherrscht den emotionalen Wechsel zwischen Charme, Charisma, Großmachtphantasien und Verfolgungswahn perfekt. Er macht die Faszination des Mannes, der bei seinem Machtantritt vom Volk gefeiert wurde, ebenso nachvollziehbar wie dessen gefährliche Unberechenbarkeit. Selten ist in einem Film diktatorische Willkür so plastisch fühlbar gewesen. Der gelernte Dokumentarfilmer Macdonald verliert sich nie im Spekulativen, sondern entscheidet sich immer für die Genauigkeit, für die Nähe zur Figur und die differenzierte Darstellung ihrer inneren Widersprüche.

Martin Schwickert

The Last King of Scotland GB 2006 R: Kevin Macdonald B: Peter Morgan, Jeremy Brock K: Anthony Dod Mantle D: Forest Whitaker, James McAvoy, Kerry Washington , 121 Min.


Die Kritik zum Film