GOOD BYE LENIN!

Endlos DDR

Für Mutti bleibt Deutschland zweigeteilt

Auch dreizehn Jahre nach der Wende kann man die Kinofilme, die sich mit Mauerfall und Wiedervereinigung auseinandersetzen, an einer Hand abzählen. Nun gut, es gab Leander Haußmanns Erfolgskomödie Sonnenallee, die die DDR als Spaßgesellschaft entdeckte. Aber schon die etwas ernster geratene Verfilmung von Brussigs Wende-Roman Helden wie wir ging beim Publikum mit Mast und Segel unter.

Jetzt wagt sich der Berliner Regisseur Wolfgang Becker (Das Leben ist eine Baustelle) an die junge deutsche Vergangenheit, und zum ersten Mal hat man das Gefühl, dass hier einer das filmische Potential dieser wirren Zeit erkannt hat. Good Bye Lenin! erzählt die Geschichte der Wende aus der Perspektive einer Ostberliner Familie. Im Herbst 1989, auf dem Weg zu einem Parteiempfang zum 40.Jahrestag der Republik, erkennt Christiane Kerner (Katrin Saß) ihren Sohn Alex (Daniel Brühl) in der Menge der Demonstranten, die gerade von der Volkspolizei niedergeknüppelt wird. In ihrem fahnenroten Abendkleid sinkt sie auf der Kreuzung ohnmächtig zusammen und wacht nach dem Herzinfarkt nicht mehr aus dem Koma auf. Sie verschläft den Mauerfall, den Untergang der DDR und den Siegeszug von D-Mark und Coca-Cola. Alex hingegen erlebt die aufgeregte Zeit des Umbruchs aus nächster Nähe. Sein Arbeitsplatz bei der PGH-Fernsehreparatur wird abgewickelt. Stattdessen montiert er jetzt Sattelitenschüsseln in Marzahn und genießt mit seiner Freundin Lara (Chulpan Khamatova) den Sommer zwischen Weltmeisterschaft und Währungsunion.

Dann wacht die Mutter wieder auf und die Ärzte verbieten jegliche Art von Aufregung. Aber wie soll das gehen, wenn das Land das sie kennt, auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet ist? Alex beschließt, auf den 79 Quadratmetern der heimischen Plattenbauwohnung die DDR für seine Mutter wieder auferstehen zu lassen.

Mit Liebe zum historischen Detail hat Wolfgang Becker eine Komödie entworfen, die sich an die Wirren der Wende erinnert, ohne die DDR-Vergangenheit zum schrulligen Dekor verkommen zu lassen. Nicht für die große Politik interessiert sich der Film, sondern für deren Auswirkung auf das private Leben. Becker gelingt es, die Stimmung jener Zeit einzufangen, die von der Euphorie des Aufbruchs ebenso gekennzeichnet war wie von Zukunfts- und Verlustängsten. Daniel Brühl, dessen Stimme auch aus dem Off durch die Story führt, spielt seinen Alex mit der gewohnten, jungenhaften Unschuld und erschließt einen unverbrauchten Blick auf die Geschichte. Das Hauptkapital des Films ist jedoch das Drehbuch des Debütautoren Bernd Lichtenberg. Ausgehend von einer unschlagbar originellen Grundidee verzurrt er die Komödie mit einer glaubwürdigen, dramatischen Familiengeschichte und weigert sich beharrlich, angestaubte Ost-West-Klischees zu bedienen.

Martin Schwickert

D 2002 R: Wolfgang Becker B: Bernd Lichtenberg K: Martin Kukula D: Daniel Brühl, Katrin Saß, Chulpan Khamatova