DER LETZTE ZUG

Nachgestellt

Joseph Vilsmaier verfilmt eine Todesfahrt nach Auschwitz

Für einen Film von Joseph Vilsmaier kommt Der letzte Zug ungeheuer bescheiden daher. Kein großes Komparsengetümmel, sondern ein kleines, überschaubares Ensemble. Statt wuchtiger Landschaftstotalen - Konzentration auf einen wenige Quadratmeter kleinen Handlungsort. Der letzte Zug wirkt wie ein Gegengift zu Stalingrad oder Marlene, Filme, mit denen sich Vilsmaier einen eher zweifelhaften Ruf als Historienfilmer erarbeitete.
Was Vilsmaier und seine ihm angetraute Co-Regisseurin Dana Vávrová ins Kammerspiel hineingezwungen hat, ist die Geschichte von 688 Juden, die 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert werden. Die Parteigenossen haben dem Führer zum Geburtstag eine "judenreine" Reichshauptstadt versprochen. Auf dem berüchtigten Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald werden die Juden der Stadt zusammengetrieben und in enge Viehwaggons verladen. 17.000 sind in den letzten Monaten hier schon gen Osten verschleppt worden.
Der letzte Zug begleitet eine Gruppe auf die Reise ohne Wiederkehr. Einige wissen genau, was auf sie zukommt, wie der ehemalige Boxer Henry Neumann (Gedeon Burkhard), der sich mit ein paar Gleichgesinnten daran macht, die Flucht zu organisieren. Ihre Pläne werden von den anderen Wageninsassen misstrauisch beäugt, denn wenn die SS das angesägte Gitter entdeckt, droht allen die Liquidation.
Viele weigern sich, der grausamen Realität ins Auge zu sehen, und hoffen, am Ende der Reise eine warme Mahlzeit und ein Dach über dem Kopf zu bekommen. Sechs Tage dauert der Transport. Ein Eimer Wasser für hundert Menschen, die eng zusammen gepfercht sind, dass kaum Luft zum Atmen bleibt.
Natürlich hängt auch diesem Film - wie den meisten Filmen, die sich mit der NS-Zeit beschäftigen - deutlich der Schmauch des Nachgestellten an. Das tatsächliche Entsetzen lässt sich mit den konventionellen Mitteln des Spielfilms nur erahnen. Die Versuche, einige Momente der Hoffnung und Mitmenschlichkeit in das Todesschicksal einzustreuen, wirken aufgesetzt und plump. Ein paar Wehrmachtssoldaten stecken gegen den Widerstand der SS den Gefangenen Brot durch die Gitterstäbe, und eine junge Frau (Sibel Kekilli) kann sich mit einem Mädchen durch das Fluchtloch zu den polnischen Partisanen retten.

Martin Schwickert

D 2006 R: Joseph Vilsmaier, Dana Vávrová B: Stephan Glantz D: Gedeon Burkhard, Lale Yavas, Sibel Kekilli