IM ZEICHEN DER LIBELLE

Hinterm Regenbogen links

Kevin Costner wird übersinnlich

Wenn die alleinerziehenden Mütter die neuen Heldinnen des amerikanischen Kinos sind, dann ist die Figur des leidenden Witwers der aktuelle männliche Gegenentwurf. Gerade erst reiste Guy Pearce in Time Machine auf der Suche nach der verstorbenen Verlobten durch Vergangenheit und Zukunft. Demnächst begibt sich Richard Gere in The Mothman Prophecies nach dem plötzlichen Tod der Gattin auf übernatürliche Recherche, genauso wie es Kevin Costner nun in Im Zeichen der Libelle tut. Vollreife Womanizer als trostsuchende Trauerklöße - das ist das neue Konzept, mit dem Hollywood die Zielgruppe: "weiblich/ledig/nicht mehr ganz so jung" ins Visier nimmt.
Kevin Costner hat als flaschenpostwerfender Hinterbliebener schon in Message in a Bottle die Frauenherzen gebrochen - und gleichzeitig sein Scheidungstrauma geschickt vermarktet. Jetzt ist Kevin wieder allein zu Hause, diesmal als Notfallmediziner Dr. Joe Darrow. Frau Doktor ist bei einem humanitären Einsatz im venezuelanischen Dschungel verunglückt, ohne dass ihre Leiche je geborgen werden konnte. Darrow kommt über den Verlust nicht hinweg und flüchtet sich in seine Arbeit. Ihr wart das perfekte Paar, sagt ein Freund in guter Absicht, sie hatte das Herz und du das Hirn. Aber was macht ein Hirn ohne Herz? Es beginnt zu fantasieren. Darrow erhält Zeichen aus dem Jenseits. Mit ein paar Libellen - Lieblingsinsekt der Verstorbenen - fängt es an, womit wenigstens der Filmtitel erklärt wäre.
Auf der Kinderkrebsstation - dem ehemaligen Arbeitsplatz der Gattin - geht es weiter. Kinder, die dem Tod schon auf der Schippe gestanden haben, berichten von jenseitigen Kontakten zu Joes Frau und malen Regenbögen und kryptische Kruzifix-Zeichen auf Papier. Nachts schleicht Darrow durch die Krankenhausflure und sammelt wie ein Getriebener die Informationen der jungen Near Death-Klienten ein. Die Zeichen führen Joe zwar nicht direkt ins Jenseits, aber immerhin zu einem Indianerstamm in den malerischen venezuelanischen Dschungel. Was wird Dr. Darrow im Land des Regenbogens finden?
Wir wissen es und dürfen es nicht verraten. Nur soviel: die Kinobetreiber sollten auf Schmerzensgeldforderungen seitens des Publikums gefasst sein. Im Zeichen der Libelle kommt ein bißchen wie die Malen-nach-Zahlen-Version von The Sixth Sense daher. Nur dass Regisseur Tom Shadyac, der mit Werken wie Der verrückte Professor und Patch Adams bisher wenig bereichernd auf die Filmgeschichte eingewirkt hat, nicht das geringste Gespür für subtile Schauereffekte hat.
Shadyac verlässt sich auf seinen hirnverbrannten Spiri-Plot und trägt mit dem Eifer eines Kommunionsschülers den christlich unterminierten Subtext vor. Costner sammelt anfangs mit hübsch drapierten Augenringen im seglerbraunen Gesicht noch Mitleidspunkte, verrennt sich dann aber als manisch Suchender in zügelloses overacting. Einziger Lichtblick: Kathy Bates, die als verwitwete lesbische Nachbarin ebenso tapfer wie vergeblich versucht, den ganzen aufgeregten Hokuspokus zu erden.

Martin Schwickert

Dragonfly USA 2002 R: Tom Shadyac B: Brandon Camp, Mike Thompson, David Seltzer K: Dean Semler D: Kevin Costner, Joe Morton, Kathy Bates