LIEGEN LERNEN

Männer

Liebeskummer in den 80ern

Die 80er in der BRD waren ein schlaffes Jahrzehnt. In der Schule schwärmten die Lehrer von 68, und von den wilden 70ern war nur noch der Abglanz der Drogenkultur übrig geblieben. Kohl wurde gewählt und wiedergewählt. Wer damals jung war, wollte es so lange wie möglich bleiben. "Bloß nicht erwachsen werden", hieß die Devise und "Zukunft" war ein Wort, das ein diffuses Unwohlsein auslöste.
"Ich möchte mal wissen, wie du so ein gefühlsgehemmter, bindungsunfähiger, feiger Penner geworden bist." Diese Beschimpfung, die Helmuts Freundin Tina dem 32jährigen durchs Telefon schreit, ist die Leitfrage von Hendrik Handloetgens liegen lernen . Die Reise geht zurück ins Jahr 1982: Der schüchterne Oberstufler Helmut (Fabian Busch) kann es kaum fassen, dass sich die schöne Schulsprecherin Britta (Susanne Bormann) auf ihn einlässt, und nach dem ersten Beischlaf bei Kerzenschein ist es auch schon wieder vorbei. Irgendwie ist für den verhinderten Romantiker danach alles nur noch ein fauler Kompromiss: das Studium, der Unijob, die WG-Liebe zu seiner früheren Mitschülerin Gisela (Fritzi Haberlandt), die One-Night-Stands und die bequeme Daueraffäre zu der deutlich älteren Sportreporterin Gloria (Anka Lea Sarstedt). Helmut lässt sich entscheidungslos durchs Leben treiben - ein Durchwurschtler, den nur interessiert, was ihm direkt in den Schoß fällt. Genau dahin fällt eines Tages Tina (Birgit Minichmayr), mit der dann doch noch alles anders wird. Große Liebe und Ernst des Lebens in einem. Als Helmut den Schwangerschaftstest findet, ergreift er die Flucht. Nach Berlin zu Britta, der verklärten Jugendliebe, von der sein Herz nie losgekommen ist.
Der Erfolg von Frank Goosens Bestsellerroman liegen lernen lag in der unverblümten Ehrlichkeit, mit der der Antiheld sich und sein orientierungsloses Jahrzehnt beschrieben hat, auch wenn die ironische Selbstdistanz, die Goosen daraus entwickelte, oft etwas vordergründig und aufgesetzt wirkte. Regisseur und Drehbuchautor Hendrik Handloetgen weiß um die Stärken und Schwächen der literarischen Vorlage.
Dort, wo sich das Buch in selbstgefälliger Geschwätzigkeit verstrickt, reicht Handloetgen ein kurzer Blickwechsel oder ein hingeworfener Halbsatz. liegen lernen verweigert sich offensiv dem modischen 80er-Jahre-Kult und überzeugt vor allem durch die Details, mit denen das Zeitkolorit in unauffälligen Seitenblicken eingefangen wurde.
Überhaupt ist die Unaufdringlichkeit die größte Stärke des Films. Aus Helmut hätte schnell eine Karikatur werden können. Aber Fabian Busch ( 23 ) tritt der Kamera mit einer absolut überzeugenden Aufrichtigkeit entgegen, und Handloetgen versteht etwas vom "finetuning" der Komik.
Auch wenn das Erklärungsmuster - erste Liebe als traumatische Erfahrung - etwas eingleisig daherkommt, ist Handloetgen ein gefühlsechtes Porträt einer unentschlossenen Männergeneration gelungen, das weit über die 80er Jahre hinausstrahlt.

Martin Schwickert

D 2003. R: & B: Hendrik Handloegten K: Florian Hoffmeister D: Fabian Busch, Susanne Bormann, Birgit Minichmayr, Fritzi Haberland