LONELY HEARTS KILLERS

Gewalt und Leidenschaft

John Travolta und James Gandolfini jagen ein Killerpärchen

Bei Filmen "nach wahren Begebenheiten" darf man das Ende als bekannt voraussetzen. Niemand erwartet in Titanic, dass am Ende der Erste Steuermann sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischt und sagt: "Puh, grad noch mal gutgegangen, Käpt'n, haben Sie den Eisberg da gesehen?".
Wir brauchen hier also nicht so zu tun, als wüssten wir nicht, wie die Geschichte ausgeht. Lonely Hearts Killers beginnt daher folgerichtig in einer Todeszelle und führt uns dann mit Rückblenden wieder an den Anfang zurück.
Der beschreibt das explosive Aufeinandertreffen zweier Betrüger, Ray Martinez und Martha Beck, die in den 40ern an der Ostküste der USA eine blutige Spur hinterließen. Ray ist eigentlich nur ein Heiratsschwindler, eitel (wie alle dummen Männer), harmlos, oberflächlich. Sobald er sein Toupet abnimmt und wir die kahle Stelle auf seinem Schädel sehen, hat er die Hälfte seines zweifelhaften Charmes eingebüßt.
Martha ist ein anderes Kaliber. Anfänglich nur ein Opfer des Heiratsschwindlers Ray (sie ist im gleichen Metier tätig und dachte, sie könne Ray ausnehmen), verliebt sie sich in ihn. Um die Kundschaft nicht zu verschrecken, reisen beide fortan als Geschwisterpaar durchs Land. Martha ist leidenschaftlich, eifersüchtig, frustriert. Ray ist für sie ein deutliches Zeichen dafür, dass ihr die Welt was schuldig geblieben ist. Als Martha den Eindruck hat, Ray verliebe sich in eine seine Klientinnen, bringt sie sie kurzerhand um. Alice Krige findet so als erstes Opfer ihr blutiges Ende: während sie nackt neben dem Bett verblutet, haben Martha und Ray wilden Sex.
Man sieht schon: Für Martha geht es um mehr als nur den Kleinbürgertraum vom Bausparvertrag. Sie will Liebe, leidenschaftliche Liebe. Bei dem Beruf ihres Mannes führt das zwangsläufig zu Zielkoflikten. Dass Ray tötet, ist für sie ein Liebesbeweis. Und nur die Liebe schützt vor dem Alleinsein. Einsamkeit, sagt sie mal, verbrennt dir die Haut.
Jared Leto und Salma Hayek als Killercouple sind wunderbar böse und komisch. Die Skrupellosigkeit, mit der sie die Einsamkeit von Kriegerwitwen ausnutzen, kontrastiert die eigenen dummen Träume: ein Haus, ein Kind, nette Nachbarn...
Der Film heisst im Original nur "Lonely Hearts", und er hat zweitens noch eine Geschichte, nämlich die der New Yorker Cops Elmar Robinson und Charles Hildebrandt. John Travolta und James Gandolfini spielen diese zwei abgebrühten Ostküsten-Schnüffler mit Einsamkeit und Härte. Robinson hat gerade seine Frau durch Selbstmord verloren. Er hat eine Ahnung, was Einsamkeit bedeutet. "Du bist ein guter Cop, aber Du verstößt gegen die goldene Regel", brüllt ihn Hildebrandt einmal an, "und die lautet: nimm das Blut nicht mit nach Hause!"
Travolta und Gandolfini als Partner sind der Clou dieses Films. Ihre Dialoge, ihr Spiel miteinander haben eine Intensität, eine Ernsthaftigkeit, die im Genre selten erreicht wird. Während ihre Partnerschaft von Respekt geprägt ist, geht das Mörderpärchen an seiner Leidenschaft zugrunde. Liebe ist nicht die Lösung, sie ist nicht einmal das Problem.
Bemerkenswert auch, wie souverän Todd Robinson durch diese Geschichte führt. Das Styling der 40er Jahre, der kühle Hauch des späten film noir verfällt weder dem kitschigen Bombast, noch versteckt sich die Inszenierung hinter wohlfeiler Ironie. Bei aller messerscharfen Präzision wirkt Lonely Hearts Killers seltsam schlicht und unaufgeregt. Wir vermuten mal, dass Clint Eastwood diesen Film mögen würde.

Thomas Friedrich

Lonely Hearts. USA 2006. R & B: Todd Robinson K: Peter Levy D: John Travolta, James Gandolfini, Jared Leto, Salma Hayek, Laura Dern, 108 Min.