LOOKING FOR ERIC

Schattenspieler

»Keine Stars!« lautet die Parole des Regieveteranen Ken Loach. Nach fast 40 Jahren im Geschäft wird er seiner Maxime erstmals untreu.

Für Looking for Eric hat Loach die ehernen Prinzipien über Bord geworfen und einen Star unter Vertrag genommen, für den andere schon siebenstellige Summen hingeblättert haben. 1,2 Millionen britische Pfund hat Manchester United 1992 für den Mittelstürmer Eric Cantona bezahlt, der in den folgenden fünf Jahren mit 64 Toren in 144 Spielen zum unangefochtenen Superstar der britischen Premier League aufstieg, bevor er 1997 seinen Rücktritt verkündete.

Ins Stadion geht der Briefträger Eric Bishop (Steve Evets) schon lange nicht mehr. Die überteuerten Tickets kann er sich nicht leisten, aber in seinem Schlafzimmer prangt immer noch ein riesiges Cantona-Poster. Zwei Ehen hat Eric in den Sand gesetzt und lebt nun allein mit seinen jugendlichen Stiefsöhnen, die ihm mit pubertärer Ignoranz begegnen. Die Kollegen bei der Post machen sich Sorgen um den depressiven Kumpel und versuchen ihn mit organisierten Witzattacken aufzuheitern. Als auch das nichts hilft, wird - in einer brüllend komischen Szene - ein kollektiver Selbstfindungs-Workshop in Erics Wohnzimmer organisiert, bei dem sich jeder seinen ganz persönlichen Helden vorstellen soll. Die Palette reicht von Frank Sinatra bis zu Nelson Mandela.

Klar, dass Eric an Cantona denkt, der sich dann (unter Zuhilfenahme eines Joints) am Abend in seinem Schlafzimmer materialisiert. Der Geist des Mittelstürmers wird zum patenten Ratgeber in Erics Leben, und mit ein wenig Training für Seele und Körper gelingt es Eric sogar, Kontakt zu seiner ersten Frau aufzunehmen, die er vor dreißig Jahren panikartig mit einem Kind sitzen ließ. Deutlich schwieriger wird der Lebenshilfepakt, als einer der Stiefsöhne in die Machenschaften eines lokalen Schwerverbrechers hineingezogen wird.

In Looking for Eric verbindet Loach leichtfüßig düsteren Sozialrealismus mit einem humorvollen Feel-Good-Movie. Steve Evets entwickelt als alleinerziehender Briefträger am Rande des Nervenzusammenbruchs eine wunderbar rotzig-verletzliche Präsenz, dem Cantona als etwas hölzern agierendes Idol nicht ohne Ironie gegenüber gestellt wird.

Am besten ist der Film, wenn er sich in die unaufgeräumten Wohnzimmer und verrauchten Eckkneipen zu seinen proletarischen Helden gesellt. Hier trifft der bekennende Working-Class-Filmemacher genau den richtigen Ton, auch wenn er am Schluss ein wenig zu offensichtlich die Kraft der Solidarität beschwört. Solch kurze, agitatorische Übersteuerungen verzeiht man dieser grundsympathischen Alltagskomödie nur zu gern.

Martin Schwickert

GB 2009 R: Ken Loach B: Paul Laverty K: Barry Ackroyd D: Steve Evets, Eric Cantona, Stephanie Bishop