LOST IN TRANSLATION

Fremdes Leuchten

Eine vorsichtige Liebesgeschichte

Sofia Coppolas Lost in Translation ist eine dieser Perlen, deren Wert man nicht auf den ersten Blick erkennt. Der Film spielt auf einer Insel, einem Luxushotel mitten im Tokioter Lichtermeer. Bob (Bill Murray) und Charlotte (Scarlett Johansson) stranden hier in der Fremde. Bob ist ein bekannter Hollywood-Star, der mit einem japanischen Whiskey-Werbespot auf die Schnelle zwei Millionen Dollar verdienen soll. Charlotte begleitet ihren Ehemann, einen Fotografen, der sich selbst sehr wichtig nimmt und wenig Zeit für sie hat. Selbstverloren finden sich die beiden Abend für Abend in der Hotelbar wieder, lernen sich kennen und reden miteinander so vertraut, wie man nur mit Fremden reden kann.
Bob ist um die 50 und von seiner Ehe ebenso ausgelaugt wie vom eigenen Berühmtsein. "Muss ich mir Sorgen machen?", fragt seine Frau am Telefon. "Nur wenn du willst", antwortet er.
Bill Murray hat hier die Rolle seines Lebens gefunden: ein trauriger Clown, der sein Leben lang vor der Kamera den Komiker gemimt hat und eigentlich längst zu müde zum Witzemachen ist. Wenn er mit Charlotte redet, findet er für kurze Momente seinen Humor wieder, und man bekommt eine Ahnung davon, dass dieser Mann seine Umgebung zum Leuchten bringen kann. Die Gesichter von Bob und der deutlich jüngeren Charlotte leuchten immer öfter auf, wenn sie sich begegnen und gemeinsam durch die fremde Stadt treiben, durch Bars, Stripclubs und buddhistische Gartenanlagen.
Vom Aufleuchten ihrer Gesichter wird dieser Film getragen, der die Einsamkeit seiner Figuren nie an eine billige Lovestory verkauft. Sofia Coppola, die Tochter des Regie-Altmeisters Francis Ford Coppola, tastet die Nuancen des Gefühls zwischen Zuneigung, Flirt, Freundschaft, Vertrautheit und Anziehung mit seismografischer Genauigkeit ab. In den neonbunten und kalten Bildern, die Coppola aus der Tokioter Stadtlandschaft herausfiltert, spiegelt sich eine schwerelose Melancholie, die sich durch die Augen direkt im Herzen einnistet. Dabei ist Lost in Translation eigentlich eine Komödie. Keine zum Lachen, aber eine zum Lächeln.

Martin Schwickert

B&R: Sofia Coppola K: Lance Acord D: Bill Murray, Scarlett Johansson, Giovanni Ribisi