LÜCKE IM SYSTEM

Virulent wahr
Mal wieder eine Verschwörung..

Die Geschichte soll auf einer "wahren Begebenheit" beruhen: Ein Hacker pflanzt einem multinationalen Geldinstitut einen Virus ins System und hat anschließend einen Verkehrsunfall mit Gedächtnisverlust. Um das Gedächtnis zurück zu erlangen, unterwirft er sich einer Therapie, die vermittels Sonden am Kopf das Gehirn stimulieren soll. Der Patient erfährt, dass die verantwortliche Ärztin für den bösen Geldkonzern arbeitet und die Protokolle der Therapie weiterreicht. Kurze Zeit später ist der Hacker tot. Soweit, so Räuberpistole.
Am Ende von Lücke im System läßt der Schweizer Regisseur Romed Wyder im Gegenlicht und unkenntlich gemacht eine Frau auftreten, die behauptet, die Freundin des im Film gezeigten Hackers zu sein. Und dass sie die Videobänder der therapeutischen Sitzungen damals gesehen habe.
Dass die Geschichte nicht überzeugt und an vielen Punkten keinen Sinn ergibt, wäre noch der schwächste Einwand gegen einen Film, der sich mit dem Flair des Autentischen schmücken will, gleichzeitig aber behauptet, alles "verfremdet" zu haben, aus rechtlichen Gründen und um "lebende Personen zu schützen" (auf der www-Seite "luecke-im-system.de" kann man dann Klarnamen lesen; da scheint der Schutz nicht mehr wichtig zu sein). Und dass man eine noch so abstruse Verschwörungsstory klug und spannend inszenieren kann, dafür ist 23 immer noch bestes Referenzmaterial. Romed Wyder aber hat seinen Film in schmuckloser TV-Ästhetik abgehandelt, an keiner Stelle ist die Lust zu spüren, eine Geschichte zu erzählen, gar zu gestalten. Wie kleine Thesenapparate stehen die Schauspieler in der Gegend herum, und der Regisseur ruft uns zu: Hey Leute, ich weiss auch, dass die Statistin mit dem Hund jetzt zum dritten Mal im Bild ist und dass der Held vergessen hat, die Tür hinter sich zuzumachen - aber was soll's, wir erzählen hier die aufregende Wahrheit; oder jedenfalls fast.
Na denn.

Thomas Friedrich
CH 2004. R: Romed Wyder. B: Romed Wyder, Yves Mugny, Maria Watzlawick. K: Denis Jutzeler. D: Vincent Bonillo, Irene Godel, Francois Nadin