THE MAJESTIC

Biedermanns Widerstand

Die McCarthy-Ära und die Land-Idylle

Wenn Amerika sich auf der Leinwand in eine schöne, heile Welt zurückträumen will, landet es meistens in den 50er Jahren. Dass das Land damals von einer antikommunistischen Hysterie beherrscht und in seinen Grundfesten erschüttert wurde, wird in der filmischen Erinnerung oft ausgeblendet. Während auf der Leinwand Gene Kelly als Ein Amerikaner in Paris tanzte, tobten sich hinter den Hollywood-Kulissen die reaktionären Truppen McCarthys aus. Die hitzigen Debatten um die Oscarverleihung 1999 an Elia Kazan - einer der eifrigsten Denunzianten vor dem Ausschuss zur Untersuchung "unamerikanischer Umtriebe" - zeigten, dass die Wunden jener Jahre heute noch nicht verheilt sind.
Frank Darabonts The Majestic versucht rückwirkend die heile Welt der 50er Jahre gegen die düsteren Mächte der McCarthy-Ära zu verteidigen. Peter (Jim Carrey) ist ein hoffnungsfroher Nachwuchsautor in Hollywood, bis er Anfang der 50er Jahre auf die Schwarze Liste gerät. Auf dem College hatte der unpolitische Student das Treffen einer linken Vereinigung besucht, um dort einem Mädchen zu imponieren. Jetzt soll er deswegen vor den Ausschuss geladen werden und weitere Namen nennen. In seiner Verzweiflung lässt sich Peter volllaufen, stürzt mit seinem schmucken Cabriolet in den Fluss und wird am nächsten Morgen in der malerischen Kleinstadt Lawson mit einer Kopfverletzung an Land gespült. Peter kann sich an nichts mehr erinnern, aber die freundlichen Einwohner erkennen in ihm einen Sohn der Stadt: den verschollenen Weltkriegshelden Luke. Seine Rückkehr wird gefeiert und reißt die Bewohner, die viele ihrer Söhne im Krieg verloren haben, aus ihrer Nachkriegs-Lethargie. Peter findet sich schnell in seine neue Identität ein, eröffnet mit seinem überglücklichen Vater wieder das Kino "The Majestic" und übernimmt auch gleich die schöne Jugendliebe seines verstorbenen Doppelgängers. Als Peter gerade beginnt, sich an sein altes Leben zu erinnern, fahren auch schon die schwarzen Limousinen des FBI vor, um ihn zu verhaften. Die glücklichen Monate haben den opportunistischen Autor zu einem verantwortungsbewussten Amerikaner reifen lassen, vor dem McCarthy-Tribunal wird Peter zum gefeierten Verteidiger der Bürgerrechte.
In The Green Mile war Regisseur Frank Darabont bereits das Kunststück gelungen, den Todeszellentrakt eines Südstaatengefängnisses zu einem Ort spiritueller Gemütlichkeit zu verklären. Auch in The Majestic greift er wieder tief in die nostalgische Klischeekiste. Nichts fühlt sich in diesem Film echt an. Angefangen bei den singenden und swingenden Klempnerlehrlingen bis hin zum lachsfarbenen Sonnenuntergang, vor dem die Liebenden auf einem Leuchtturm posieren. Darabont plündert sich durch die kitschigen Bilderlandschaften des 50er-Jahre-Kinos und entwirft eine Kleinstadtidylle, in der die Charaktere in ihrer Gutherzigkeit zu ertrinken drohen. Jim Carrey passt gut in diese Szenerie. Seit Truman Show gilt Hollywoods Suppenkasper auch als Kanditat fürs ernste Fach, und wie in Peter Weirs bissiger Mediensatire spielt Carrey auch hier den unbewussten Naivling, der mit großen Augen durch die immer heile Welt marschiert. Was sich in Truman Show als virtuelle Fernsehwelt entpuppte, erhebt in The Majestic jedoch historischen Realitätsanspruch. Darabont ist es ernst mit seiner Idylle, die die Magie der guten, alten Zelluloidträume aufdringlich beschwört, die politischen Auswüchse der McCarthy-Ära gegen die moralische Integrität des wahren Amerikas aufwiegt und das dunkelste Kapitel in der Geschichte Hollywoods auf versöhnlichste Art entsorgt.

Martin Schwickert

USA 2001 R: Frank Durabont B: Michael Sloane K: David Tattersall D: Jim Carrey, Martin Landau, Laurie Holden