MALEN ODER LIEBEN

Sinnlich durch die Nacht

Sex und Neugier nach der Frühpension

Jahrzehntelang hat William als Meteorologe das Wetter vorhergesagt. Jetzt geht er in Frühpension und kann für das eigene Leben keine Vorhersagen treffen. Als seine Frau Madeleine (Sabine Azéma), die weiterhin als Architektin arbeitet, bei einem Ausflug mit Staffelei und Pinsel ein altes Bauernhaus am Fuße der Pyrenäen entdeckt, entschließt sich das Paar spontan zum Kauf des malerischen Anwesens.
Mit der geografischen Veränderung erlebt auch die Ehe der beiden einen Neuanfang. William blüht auf in der Gartenarbeit, Madeleine genießt die Nähe zur Natur, und beide öffnen sich dem Leben und den Menschen in der Provinz. Sie freunden sich mit dem blinden Bürgermeister Adam (Sergi Lopez) und dessen Frau Eva (Amira Casar) an.
Als diese nach einem Hausbrand ohne Bleibe sind, nehmen William und Madeleine das Paar bei sich auf. An den langen WG-Abenden wird bald klar, dass es hier um mehr als nur Freundschaft geht. Als es schließlich zum Partnertausch für eine Nacht kommt, entwickelt sich langsam eine neue Haltung zum Leben und der Liebe.
Malen oder Lieben löst jene Altersstereotypen auf, mit denen im Kino das Thema "Liebe" gemeinhin behandelt wird. Während für die 20-30jährigen die aufreibende Suche nach dem Liebesglück reserviert ist, muss die Generation ab 40 sich auf der Leinwand meistens mit der Routine und dem emotionalen Zerfall der Beziehungen auseinandersetzen. Die Gebrüder Larrieu entwerfen hier eine reife Liebesbeziehung, die eine warme Vertrautheit und Zärtlichkeit ausstrahlt und sich neuen Einflüssen öffnet kann.
Arnaud und Jean-Marie Larrieu entwerfen ein visuelles Geflecht, das über die Landschafts- und Naturaufnahmen, den Wechsel der Jahreszeiten und eine ausgeklügelte Licht- und Schattendramaturgie Stimmungen vermittelt, die mehr über den seelischen Zustand der Figuren erzählen als es Dialoge vermögen. Einmal, als der blinde Adam seine Nachbarn durch den nächtlichen Wald nach Hause führt, ist es stockdunkel auf der Leinwand. Man hört nur das Atmen, die Worte, das Rauschen der Bäume und des Baches und merkt, wie sich Angst und Erlebnislust bei dieser Nachtwanderung verbinden.
Nicht nur wegen des Sujets, vor allem aufgrund seiner Erzählform ist Malen oder Lieben einer der sinnlichsten Filme der letzten Jahre.

Martin Schwickert

Peindre ou faire l'amour. F 2005 R&B: Arnaud und Jean-Marie Larrieu K: Christophe Beaucarne D: Sabine Azéma, Daniel Auteuil, Amira Casar, Sergi Lopez