THE MANCHURIAN CANDIDATE


Vize mit Chip

Hier sind Politiker wirklich ferngesteuert

Pünktlich zum amerikanischen Wahlkampf hat Jonathan Demme mit The Manchurian Candidate einen Verschwörungsthriller aus den 60er Jahren ausgegraben, in dem ein zukünftiger US-Präsident von finsteren Mächten gelenkt wird. In dem Kalten-Kriegs-Klassiker von John Frankenheimer waren es die guten, alten Kommunisten, die den Kandidaten mittels Hypnose für ihre antidemokratischen Aktivitäten in Gebrauch nahmen. In Demmes Update-Version sind es die amerikanischen Großkonzerne, die den mächtigsten Mann der Welt durch einen implantierten Chip für ihre Zwecke instrumentalisieren.
Der Film beginnt im ersten Golfkrieg. Eine US-Einheit gerät in einen Hinterhalt und wird nur durch den heldenhaften Einsatz von Raymond Shaw (Liev Schreiber) gerettet. Shaw erhält dafür eine Ehrenmedaille, die nicht unwesentlich zu seinem späteren Aufstieg als republikanischer Senator und Vizepräsident beiträgt. Auch Captain Ben Marco (Denzel Washington) erinnert sich an jene Nacht in Kuwait, aber unter seine Erinnerung mischen sich Alptraumsequenzen, die von Gehirnwäsche und unschönen ärztlichen Behandlungsmethoden berichten. Golfkriegssyndrom! lautet die Diagnose der Ärzte, aber Marco wird bei seinen Recherchen immer klarer, dass die Wahnvorstellungen sehr nahe an der Wirklichkeit liegen. Den Soldaten wurde ein Chip eingepflanzt, der die Hirnfunktionen kontrolliert.
Im Verein mit der knallharten Politikerin Eleanor Shaw (Meryl Streep) hat sich ein Firmenkonsortium zusammen getan, um Eleanors Sohn als Präsidenten aufzubauen. Der soll das Land durch Law-and-Order-Parolen wieder auf den rechten Weg bringen und die Profite der Großkonzerne sichern.
Dort wo Michael Moore in Fahrenheit 9/11 aufgehört hat, arbeitet Jonathan Demme im fiktionalen Raum weiter. Moore riss die Verwicklungen Bushs mit dem internationalen Kapitalmarkt, der Öl- und Waffenindustrie nur an. The Manchurian Candidate denkt das Konzept bis hin zum ersten ferngesteuerten US-Präsidenten weiter. Natürlich klingt das abstrus, aber die Macht der amerikanischen Corporations, vor allem im Mediensektor, ist in den letzten zehn Jahren derartig angeschwollen, dass der Plot als Parabel verstanden durchaus realistische politische Prämissen in sich trägt.
Demme inszeniert seinen Politthriller als Fiebertraum, schneidet zwischen Marcos Halluzinationen und dem politischen Machtergreifungsprozess hin und her und distanziert sich mit seinem psychedelischen Stil von jeglichem Politrealismus. Seine eigentliche Überzeugungskraft verdankt The Manchurian Candidate den schauspielerischen Leistungen des bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzten Ensembles. Allen voran Meryl Streep, die als karrieresüchtige Übermutter zu furioser Höchstform aufläuft.

Martin Schwickert
USA 2004 R: Jonathan Demme B: Daniel Pyne, Dean Georgaris K: Tak Fujimoto D: Denzel Washington, Meryl Streep, Liev Schreiber