MANHATTAN LOVE STORY

Reich & berühmt

Jennifer Lopez als Aschenputtel im Edelfummel

Manhattan Love Story ist vielleicht der erste echte Post-Nine-Eleven-Film, der in Hollywood vom Band läuft. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center erdacht, produziert und mitten im Big Apple angesiedelt wendet sich Wayne Wangs romantische Komödie demonstrativ von den Trümmerbergen in Lower Manhattan ab und verlagert sich Uptown in die Park Avenue. Hier steht ein Hotel der nobelsten Sorte, das zum Mikrokosmos einer sacharinsüßen Aschenputtelgeschichte wird.
Marisa (Jennifer Lopez) arbeitet dort als Zimmermädchen und hofft, sich demnächst ins mittlere Management hocharbeiten zu können. Jeden Morgen bringt sie ihren hochbegabten Sohn vor der Arbeit zur Schule und zuckelt mit der Metro aus der Bronx zur Edelherberge am Central Park.
Alleinerziehende Mütter sind die letzten Alltagsheroinen, die Hollywood noch geblieben sind, und Jennifer Lopez knüpft hier an ihre ähnlich strukturierte Rolle in Genug an. Als moderne Cinderella-Figur ist sie kein naives Mädchen, das auf die Erlösung durch einen Prinzen wartet. Marisa ist Realistin und hat sich trotzdem ihre kleine Version vom amerikanischen Traum bewahrt.
Aber dann steht er auf einmal vor ihr - der Prinz, in Gestalt des lebenslustigen Senatskandidaten Christopher Marshall (Ralph Fiennes). Und das Drehbuch will es, dass auch Marisa aussieht wie eine Prinzessin, da sie gerade verbotenerweise in die 5000 Dollar teure Designer-Kollektion einer Hotelkundin geschlüpft ist. Die Blicke werden tief. Das Augenblau von Ralf Fiennes funkelt großformatig auf der Leinwand. Dazu lodern J.Los Blicke in warmen Brauntönen.
Natürlich weiß der republikanische Wahlkampfkandidat, der auf Schritt und Tritt von einem Paparazzi-Heer verfolgt wird, nicht, dass die schöne Kopfverdreherin nur ein einfaches Zimmermädchen ist. Das geheimgehaltene Klassengefälle führt zu einem überschaubaren Versteckspiel, was auf mittlerem Niveau recht anständig unterhält.
In stürmischen Zeiten schippert Manhattan Love Story im sicheren Hafen der Vorhersehbarkeiten. Aber immerhin hat Wayne Wang, der seinerzeit in Smoke das New Yorker Lebensgefühl weniger verlogen romantisiert hat, in den Nebenrollen Leute wie Stanley Tucci engagieren können, die von der schauspielerischen Eindimensionalität des Liebesduos ablenken. Als Dauerlächler verliert Ralph Fiennes nämlich jenes gepflegte Sexappeal, das er als stilvoll depressiver Englischer Patient mühsam aufgebaut hat. Jennifer Lopez ruht sich wieder einmal auf ihrem Charisma aus und bebildert - mal in grauer Hotelkluft, mal in tief dekoltierter Abendrobe - ihr eigenes Image als Glamgirl mit proletarischem Wurzelwerk.
Wie all ihre Fans spätestens seit der letzten Single Jenny From the Block wissen, ist auch Lopez in der Bronx aufgewachsen und hat sich tapfer ganz nach oben in die Musik- und Filmcharts hochgearbeitet. Wenn Marisa im zusammengeliehenen Edel-Outfit zur Prominentengala aufbricht, um ihren Prinzen zu pflücken, wird sie von den Kolleginnen angefeuert: "Du tust das auch für uns!", rufen die unsichtbaren Heldinnen des Dienstleistungsgewerbes ihr nach. Reich und berühmt werden, nicht nur für sich selbst, sondern gleich auch für die anderen mit - das ist dann wohl die Sozi-Version des amerikanischen Traums und ganz nebenbei auch ein cleveres Marketing-Konzept.

Martin Schwickert

R: Wayne Wang B: Kevin Wade, Edmond Dantes K: Karl Walter Lindenlaub D: Jennifer Lopez, Ralph Fiennes, Stanley Tucci