»MEIN MANN«

Straßenmärchen

Eine Nutte mit Liebe zum Beruf: Bertrand Bliers neuer Film ist vielleicht nicht ganz geschmackssicher, aber keinesfalls uncharmant.

Lustig fanden wir schon ganz am Anfang, daß in der OmU-Version der Originaltitel Mon Homme mit "Mein Macker" übersetzt wurde. Das lenkt die ganze Angelegenheit in eine leicht andere Richtung. Wenn man dann sieht, daß die Heldin eine Nutte mit Spaß am Beruf ist, scheint die Sache klar zu sein: Aha, noch ist sie selbständig, aber bald wird wahrscheinlich ein Kerl kommen, ihr Zuhälter werden, und dann weht ein anderer Wind. So geschieht es auch, aber doch ganz anders. Und bestimmt nicht besonders realistisch, obwohl... wir haben niemanden, der uns sagen könnte, wie es wirklich ist; wir kennen das Milieu nur aus Filmen.
Und realistisch ist Mein Mann sicher nicht gemeint, das sieht man schon in der ersten Szene: da sitzt die absolut bezaubernde Anouk Grinberg als Marie in einer dieser Pariser Passagen auf einem Barhocker an einer Bar, allein, alles ist ganz leer, da kommt eine Dame in mittleren Jahren vorbei, muß sich von Marie anpöbeln lassen ("Haben Sie etwas gegen Nutten?!"), entdeckt verborgene Seiten und geht schließlich mit einem wildfremden Mann auf ein wildfremdes Zimmer. Das alles ist ganz theatermäßig (nicht theatralisch) inszeniert, mit einer eigenartig irrealen, kunstvollen und sehr schönen Sprache und kleinen Gesten, die so nie zu sehen sind, weder im Kino noch im Leben.
Marie ist also eine Nutte, und sie möchte gar nichts anderes sein. Sie liebt Männer, sie liebt Geschlechtverkehr und sie hat Orgasmen bei der Arbeit - das Drehbuch stammt von Bertrand Blier, und der nennt seine Marie "ein auf hohen Absätzen wandelndes kleines Paradies". Aber es geht hier nicht um das Frauen- und Menschenbild des Autoren/Regisseurs, und irgendwie sehen wir auch nicht ein, warum wir uns in einem Film nicht amüsieren sollen, nur weil er möglicherweise manche Leute (durchaus auch zu Recht) ärgern könnte.
Marie geht also ihrer Arbeit nach, und eines Morgens kommt sie nach Hause und findet einen Penner in ihrem Hauseingang. Weil Marie ein gutes Herz hat, bietet sie ihm widerstrebend ("Warum ich?") eine warme Mahlzeit an, und anschließend einen warmen Schlafplatz an der Heizung. Zuerst. Dann kommt es zum Geschlechtsakt, und während der Zuschauer noch über die wahrscheinlich starken Ausdünstungen des Herren nachdenken muß, hat sich Marie längst verliebt. Unrettbar. Er heißt Jeannot Bourdelle (man spreche den Nachnamen langsam aus) und ist, dann endlich doch gewaschen und rasiert, recht ansehnlich. Marie fragt ihn, ob er ihr Macker sein will, und er fragt, was er dafür tun müsse. "Nichts", antwortet sie, "ich gebe Dir all mein Geld und Du kaufst Dir schöne Sachen und machst mir kleine Geschenke". Und wenn sie Geld brauche? "Dann muß ich Dich fragen." - "Und wenn ich Dir nichts gebe?" - "Dann", sagt Marie mit dem wunderschönsten und glücklichsten Lächeln, "dann bist Du ein richtiger Macker!" Aber sie glaubt nicht wirklich dran. Und tatsächlich, Jeannot ist sehr nett, aber er will als Zuhälter wirklich gut sein, und dazu gehört eben auch, andere Pferdchen für sich laufen zu lassen. Was, abgesehen von umfangreichen Investitionen in aussichtslose Kandidatinnen, zu nichts führt außer zu einer Anklage wegen Zuhälterei. Jeannot muß in den Knast, Marie ist außer sich - sie wußte nichts von seinen beruflichen Ambitionen - und sagt nur ganz traurig: "Mir ist kalt ohne ihn". Das fanden wir sehr schön, schlicht und unrealistisch und irgendwie sehr treffend. Man kann es fast verstehen. Aber Marie ist böse auf sich und auf die Welt und ganz besonders auf Jeannot, also nimmt sie sich den ersten besten hübschen Jungen (Oliver Martinez) und läßt sich zwei Kinder machen.
Damit ist Mein Mann noch nicht zuende, leider, zum Schluß franst der Film ein bißchen aus, vermag Blier den Plauderton und das Abschweifen, was zwischendrin sehr nett war, nicht mehr zu bändigen.
Egal. Mein Mann ist eine Art Märchen über komische Gefühle, und das sieht man jederzeit. Wie die Personen in die Kamera sprechen, wie sie sich benehmen, als wären sie in einem Werbespot für Sinnlichkeit und erotische Gnade, ach ja, das ist schon schräg und sicher auch Geschmacksache, aber es hat auch einen Charme, der einem noch Tage später das Herz wärmt.

Jens Steinbrenner