Marley

Zum Tote aufwecken

Ein großes Portrait des Musikers Bob Marley

Robert Nesta Marley ist fraglos einer der bekanntesten und einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts und wurde schon zu Lebzeiten eine Legende. Auch nach seinem Tod 1981 verlor Marleys Ruf nichts von seiner Strahlkraft. Sein Konterfei findet sich auf T-Shirts, Postern oder Flaggen.

Nach seinem zwei Filme umfassenden Spielfilm-Intermezzo (Der Adler der neunten Legion und State of Play) wendet sich der britische Regisseur Kevin Macdonald wieder dem Dokumentarfilm zu.

Mit Ein Tag im September und Sturz ins Leere hat er bewiesen, dass er dramatische und komplexe Themen spannend, verständlich und informativ aufbereiten kann. In Marley zeichnet Macdonald in fast zweieinhalb Stunden ein ausführliches Portrait von Bob Marley und seiner Musik.

Die von Marley bis heute ausgehende Faszination vermittelt er eindrucksvoll, ohne dabei aber in Ehrfurcht zu erstarren. Vielmehr wird die Biographie in den historischen Kontext eingebettet, was Marley nicht nur für Musik-Fans interessant macht.

Macdonald geht weitgehend chronologisch vor. Interviews mit Bandmitgliedern, Verwandten und Wegbegleitern werden mit zahlreichen historischen Originalaufnahmen ergänzt. Geboren als Sohn eines britischen Soldaten und einer Jamaikanerin, wuchs der introvertierte Bob vaterlos in Nine Miles und Trench Town auf und stand lange zwischen den Kulturen. Erst die Musik und die Rastafari-Bewegung änderten dies. Hier fand er Halt und Gemeinschaft.

Die aus dem Christentum entstandene Heilserwartungsbewegung, die sich der Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung und einer "geistige Rückkehr" in die afrikanische Heimat verschrieben hatte, übte wie das Leben in Trench Town großen Einfluss auf Marleys Musik und Lebensweise aus. Die internationale Karriere begann, als eine britische Plattenfirma auf ihn aufmerksam wird.

Auch Episoden aus der Geschichte von Marleys Band The Wailers kommen vor. Amüsante wie jene, in der ein Produzent die jungen Musiker nachts auf einem Friedhof für die Toten spielen ließ. Wenn sie sich davor nicht fürchteten, würden sie auch vor großem Publikum keine Angst haben. Spannungen und Veränderungen in der Band werden nicht verschwiegen.

Auch über die Entstehung des Reggae erfährt man viel. In den 1960ern war das eine neuartige Musik, die Elemente von Ska, Rock, Blues und viel Jazz umfasste. Die Entstehung dieser Musik fiel mit der Unabhängigkeit Jamaikas zusammen. Reggae ist damit Ausdruck eben dieser Freiheit.

Einzig die weißen Untertitel sind an diesem hervorragenden Dokumentarfilm zu bemängeln. Denn auf den oft hellen Hintergründen sind sie so gut wie unsichtbar.

Olaf Kieser

USA / UK 2012 R: Kevin Macdonald K: Mike Eley, Alwin H. Kuchler, Wally Pfister