MASTER & COMMANDER

Szenen einer Ehe

Peter Weir nimmt das Segler-Genre erfrischend ernst

Freunde von Piraten- und Seefahrerfilmen mussten lange darben. Obwohl Hollywood in den 90ern so ziemlich jedes Genre reanimierte, trauten sich die Studios, nachdem Die Piratenbraut baden gegangen war, nicht mehr an Segeltuch und Enterhaken heran.

In diesem Kinojahr sind gleich zwei Produktionen erfolgreich in See gestochen. Fluch der Karibik nahm den Piratenfilm auf die Schippe und ließ dennoch genug Raum, um die Schauwerte des Genres voll auszukosten. Peter Weirs Master & Commander geht einen anderen Weg. Auch Weir ist offensichtlich ein Fan des historischen Seefahrerkinos, aber kein Freund postmoderner Sampling-Methoden. Statt das Genre ironisch aufzumotzen, destilliert er dessen Essenzen heraus.

Als Vorlage diente Weir ein Roman Patrick O'Brians, der sich mit der Seefahrt zur Zeit der Napoleonischen Kriege beschäftigt. Russell Crowe spielt den britischen Navy-Captain Jack Aubrey, Kommandant der "Surprise", die vor die Küste Südamerikas das französische Kaperschiff "Acheron" aufbringen soll. Aubrey ist ein altgedienter Haudegen, ein Mann der Tat und der schnellen Entscheidungen, ein pragmatischer Kapitän ohne tyrannische Allüren. Ihm gegenüber steht der Schiffsarzt Stephen Maturin (Paul Bettany), ein versierter Menschenflicker, überzeugter Humanist, begeisterter Forscher und das intellektuelle Gewissen an Bord des Kriegsschiffes. Ohne in pseudotiefsinnige Diskussionen zu verfallen, bringt Weir die beiden miteinander in Reibung. Wenn Aubrey an den Galapagos-Inseln, die Maturin so gern erforscht hätte, vorbeisegelt, um dem französischen Phantomschiff hinterher zu jagen, dann wird der Konflikt zwischen Wissenschaft und Kriegspolitik fast wie ein Ehestreit ausgetragen.

Die eigenwillige Männerfreundschaft ist das Zentrum, zu dem die Erzählung immer wieder zurückkehrt. Crowe und Bettany schaut man gerne bei der Arbeit zu. Die beiden könnten diesen Film tragen, selbst wenn er als Zwei-Personen-Stück in der Kombüse angelegt wäre. In der Figurenkonstellation spiegelt sich die innere Stärke des Films, der auf allen Ebenen extreme Gegensätze eng miteinander vertäut: großen Abenteuerfilm und intimes Kammerspiel, die klaustrophobische Enge des Schiffs mit der bedrohlichen Weite des Meeres, die brütende Hitze vor der brasilianischen Küste und die peitschende Gischt am Kap Horn.

Mit atmosphärischer Akkuratesse erforscht Weir den Mikrokosmos Schiff. Die stickige Enge unter Deck, wo die Hängematten der Matrosen dicht an dicht wie Insektenkokons herunterbaumeln. Das Stöhnen der Schiffsplanken im Sturm. Das Gefühl totaler Stagnation an Flautetagen. Das Geräusch des splitternden Holzes, wenn die Kanonenkugeln auf Deck einschlagen. Die Kamera drängelt sich durch die engen Gänge, klettert in den Mast hinauf und wirft sich mitten hinein ins sadorealistische Schlachtengetümmel. Auch wenn Master & Commander viele Standardsituationen des Seefahrerfilms bedient, gelingt es Weir, durch unkonventionelle Figurenzeichnung und viel Liebe zum historischen Detail einen eigenen, erfrischenden Blick auf das Genre zu werfen.

Martin Schwickert

R: Peter Weir B: Peter Weir, John Collee nach einem Roman von Patrick O'Brian K: Russell Boyd D: Russell Crowe, Paul Bettany, James D'Arcy