MATCH POINT

Love? Zero!
Woody Allen spielt Merchant-Ivory nach

Man konnte Woody Allens Filme bislang problemlos in zwei Kategorien einordnen: Komödien und Ingmar-Bergman-Imitationen. Erstere waren gelegentlich brillant, in letzter Zeit aber gerade einmal mäßig unterhaltsam, während letztere stilistisch zwar dem großen Schweden gerecht wurden, Allens Publikum aber entweder zu Tode langweilten oder zumindest vom Kinobesuch fernhielten.
Match Point geht in eine neue Richtung, die des englischen Sittengemäldes. Zwar spielt der Film im heutigen London, die Art der Geschichte aber - ein junger Mann einfacher Herkunft heiratet in eine prominente Familie ein und läuft Gefahr, den neu erworbenen Stand durch eine Affäre wieder zu verlieren - ist jedoch eher eine Domäne von Merchant/Ivory. Und wie die beiden großen Männer des Kostümfilms, so nimmt sich auch Allen gern die Zeit, seine Geschichte traditionell und ohne Hetze zu erzählen, angefangen von der Zufallsbekanntschaft zwischen dem Tennistrainer Chris Wilton (Jonathan Rhys-Meyers) und dem Millionenerben Tom Hewitt (Matthew Goode), der Affäre zwischen Chris und Toms Schwester Chloe (Emily Mortimer), und der herannahenden Gefahr in Form der lasziven Amerikanerin Nola Rice (Scarlett Johansson), die außerdem Toms Verlobte ist.
Allen nimmt sich dieser Geschichte mit Gusto an und schafft es auch, die leidenschaftliche Affäre zwischen Chris und Nola mit ausreichend schwüler Erotik anzureichern. Leider stolpert er oft über die behäbige Struktur des eigenen Melodrams, dessen Bedeutungsschwere ein wenig zu heftig ausfällt. Statt die Fäden seiner Geschichte subtil zu spannen, nimmt Allen wiederholt den Holzhammer zur Hand, wenn er uns das Dilemma des Protagonisten deutlich machen will: Chloe, die gerne Kinder haben möchte, kann von nichts anderem mehr reden; Nola ist nicht nur fantastisch im Bett, sondern auch psychisch instabil und Chris zu sehr der Spielball und zu wenig der Spieler, als der er die Geschichte betreten hat - wichtige Elemente eines guten Groschenromans, die in ihrer gänzlich unironischen Darbietung eher behäbig und deplaziert wirken.

Karsten Kastelan
USA/GB 2005 R: Woody Allen. B: Woody Allen. K: Remi Adefarasin. D: Jonathan Rhys-Meyers, Scarlett Johansson, Emily Mortimer, Matthew Goode. Bundesstart: 29.12.05