MEER IS NICH

Lena aus Weimar

Sinnsuche im Osten und ein letzter Sommer der Kindheit

Mit 17 hat man noch Träume. Dabei ist 17 genau das Alter, in dem die Realität erbarmungslos zuschlägt. Die Schulzeit geht zuende und die Eltern erwarten verlässliche Zukunftspläne. Die diffusen Sehnsüchte des eigenen Lebens knallen auf den desillusionierenden Pragmatismus der Berufsberater.

Für Lena aus Weimar ist die Zeit gekommen, über die Gegenwart hinaus zu denken. Sie weiß nicht, was sie will vom Leben, aber immerhin, was sie nicht will. Den besoffenen Freund zum Beispiel, der wird erst einmal abserviert.

So wie die Eltern möchte sie auch nicht leben. Dabei sind die eigentlich ganz in Ordnung. Die Mutter (Ulrike Krumbiegel) schrubbt Überstunden im Büro. Der arbeitslose Vater (Thorsten Merten) war Brückenbauer in der DDR und verweigert sich den Zwängen der freien Marktwirtschaft. Um die Zukunft der Tochter sorgt er sich vor allem, weil das so schön von den eigenen Problemen ablenkt. Aber es wird miteinander geredet und gestritten. Offen, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Das ist selten genug in Filmen, in denen es ums Erwachsenwerden geht.

Regisseur und Drehbuchautor Hagen Keller glänzt in seinem Kinodebüt vor allem durch Unvoreingenommenheit gegenüber den Figuren. Dabei steht die Perspektive seiner orientierungslosen Heldin natürlich im Zentrum. Die Offenheit, die Lena sich für ihr Leben wünscht, spiegelt sich im erzählerischen Konzept des Filmes wieder. Lena treibt durch den Sommer in Weimar, das hier ohne stereotypisierte Sozialtristesse und sattsam bekannte Ostklischees ins Bild gerückt wird. Sie träumt davon, Schlagzeugerin zu werden und mit ihre Frauenband groß raus zu kommen. Nur dass sie noch nicht einmal ein Schlagzeug hat...

"Ich will keine Zeit verlieren" sagt Lena immer wieder, ohne eine Vorstellung davon zu haben, was sie mit der nicht verschwendeten Zeit anfangen soll. Von der Schwierigkeit des Sich-Treiben-Lassens in einer Zeit, die nichts zu verschenken hat, erzählt Keller in überraschend leichtfüßiger Weise, ohne sein Heldin in Katharsiszwänge hineinzutreiben. Hauptdarstellerin Elinor Lüdde ist vollkommen mit ihrer querköpfigen Alltagsheldin verwachsen und lässt deren Sinnsuche nie zur Nabelschau verkommen.

Martin Schwickert

D 2007 R&B: Hagen Keller K: Philipp Kirsamer D: Elinor Lüdde, Ulrike Krumbiegel, Thorsten Merten