MEIN FÜHRER

Öch bön wöder da!

Helge Schneider legt sich als Adolf Hitler auf die Couch

Adolf Grünbaum (Ulrich Mühe) steht nackt unter der Dusche und hat mit seinem Leben abgerechnet. Aber aus dem Brausekopf im KZ Sachsenhausen kommt nicht das erwartete Zyklon B, sondern klares, warmes Wasser. Der jüdische Schauspiellehrer wurde auserwählt, um den Führer höchstpersönlich für seine Neujahrsansprache im Jahre 1945 rhetorisch auf Vordermann zu bringen.
Für Grünbaum ist dies eine Mission auf Leben und Tod, und für Regisseur Dani Levy der Stoff für eine Komödie in der Tradition von Der große Diktator und Sein oder Nichtsein. Man kann Mein Führer als Gegengift zu der opernhaften Ernsthaftigkeit von Der Untergang ansehen. Statt Bruno Ganz dreht Helge Schneider in der Reichkanzlei am Rad. Und er macht seine Sache verdammt gut. Halb versteckt hinter einer Latexmaske ahmt er den Duktus des Diktators nach, nur leicht schillert dahinter Schneiders anarchistisches Blödeltalent hindurch.
Levy und Schneider gehen von der gewinnbringenden Erkenntnis aus, dass in der Nachahmung die größere Komik liegt als in der Verfremdung. Sie führen den deprimierten Führer als Nachhilfeschüler vor, der die letzten Kräfte des tausendjährigen Reiches noch einmal für den längst verlorenen totalen Krieg mobilisieren soll. Dazu muss Adolf erst einmal seine Uniform ablegen und in einen curryfarbenen Trainingsanzug schlüpfen. Atemübungen sollen ihm helfen, seine Mitte zu finden. Schon bald liegt der Führer auf der Couch und erzählt Grünbaum von seinen Erlebnissen als ungeliebter Sohn eines dominanten Stiefvaters.
Das mit der Endlösung dürfen Sie nicht persönlich nehmen, sagt Hitler zu Grünbaum, der statt der ursprünglich erwogenen Ermordung des Führers dessen psychologische Demontage vorantreibt. Dass er selbst nur ein Rädchen im Intrigenapparat der NS-Hierarchie ist, ahnt er viel zu spät.
So urkomisch Levys Führertherapie auch ist, manchmal hätte man der Satire noch ein wenig mehr Biss gewünscht. Das Zusammentreffen von Psychoanalyse und nationalsozialistischen Größenwahn gleitet oftmals zu früh in menschelnde Gefilde ab, etwa wenn der inkontinente Führer sich zur jüdischen Familie ins warme Bett kuscheln darf. Dennoch ist die Grundidee bestechend, und gelobt werden muss in jedem Fall die Ausstattung, die nur durch leichte Verfremdungen die großkotzige NS-Ästhetik als billige Popkultur entlarvt.

Martin Schwickert

D 2006 R&B: Dani Levy K: Carl F. Koschnik, Carsten Thiele D: Helge Schneider, Ulrich Mühe, Sylvester Groth


Das Interview zum Film