MEMENTO


Rückwärts

Ein Thriller wird verkehrtherum erzählt

Manchmal reicht eine einzige Idee, um Intelligenz vorzutäuschen. Dass dies Memento gelungen ist, zeigt das gute Einspielergebnis in Amerika. Dabei besitzt der Thriller kaum mehr, als seine ungewöhnliche Form, die Geschichte rückwärts vom Ende bis zum Anfang zu erzählen. So kann man der kryptischen Montage folgen, welche Schnipsel aus dem Leben eines Mannes zeigt, der unter dem Verlust seines Kurzzeitgedächtnisses leidet. Durch solche Umstände stark gehandicapt, fällt ihm das Vorhaben, den Mörder seiner Frau zu finden, entsprechend schwer. Alles Wichtige notiert er sich nervös auf Zetteln, fotografiert die Menschen, mit denen er zu tun hat, und besonders entscheidende Informationen lässt er sich sogar auf seinen Körper tätowieren, um dem Vergessen zu entgehen. Langsam entfalten sich vor dem Zuschauer immer neue Hintergründe der zunächst kaum verständlichen Taten, mit denen eine neues Puzzle-Stück des Gesamtbildes eingesetzt werden kann, bis das Geschehen in seiner überraschenden Schlussdimension deutlich wird.
Die formale Konstruktion verhindert zweierlei. Zum einen stirbt durch die Rückwärtserzählung die Spannung, weil sich alles auf die Bedingung der überraschenden Wendungen bezieht. Das Thriller-Element kommt also zuerst und dann folgt der Grund, warum etwas spannend hätte sein können. So wühlt Memento lediglich im intellektuell-Mysteriösen statt emotional zu berühren, bis das letzte Puzzleteil die Geschichte neu ordnet und darüber Emotionen transportieren soll. Zum anderen kann es sich Christopher Nolan im Drehbuch nicht leisten, eine substantielle Geschichte zu erzählen, da das menschliche Gehirn eine chronologische Abfolge favorisiert. Insofern ist man ständig damit beschäftigt, die linearen Brüche zu kitten, welche dadurch entstehen, dass die einzelnen Szenen natürlich vorwärts ablaufen und nur ihre Montage rückwärts stattfindet. Deswegen bleibt vom Film nur eine selbstzweckhafte Denksportaufgabe übrig.

Stefan Dabrock
USA 2000. R&B: Christopher Nolan. K: Wally Pfister. D: Guy Pearce, Carrie-Anne Moss, Joe Pantoliano