THE MESSENGER

Varianten der Verzweiflung

Wie überbringt man Todesnachrichten?

Als Kriegsheld aus dem Irak zurück, wird Staff Sergeant Will Montgomery zum "Trauerkommando" abkommandiert: Er und Captain Tony Stone sind dafür zuständig, den Hinterbliebenen die Nachricht zu überbringen, dass jemand gestorben ist im Irak: Erschossen, bei einem Unfall getötet, vermisst...

"Wir rennen gegen die Zeit" erklärt Captain Stone den Job, man müsse schneller sein als CNN oder ein Kamerad mit Handy. Die Army legt Wert darauf, 24 Stunden nach einer Identifikation die Angehörigen benachrichtigt zu haben (in We were Soldiers war zu sehen, wie die Army noch in den 60ern Todestelegramme einfach von Taxifahrern zustellen ließ). Außerdem gilt: Niemals an der Tür klingeln - manche Klingeltöne seien eher lustig, was zum Anlaß überhaupt nicht passe, daher: immer nur klopfen. Und: Nie jemanden umarmen oder anfassen, es sei denn, er oder sie brauche offensichtlich medizinische Hilfe. In einer langen, beklemmenden Schnitt-Gegenschnitt-Sequenz erklärt Woody Harrelson als Captain Stone dem unwilligen Will Montgomery, was er zu tun hat. "Das ist der Job?", fragt Montgomery unwillig. "Nein", sagt Stone, "das sind die Regeln". Wenn man die anwende, könne man den Job lernen.

Montgomery selbst ist im Irak nur knapp mit dem Tod davongekommen und laboriert an inneren und äußeren Verletzungen als Folge eines Einsatzes herum, bei dem er fast alle seine Männer verloren hat. Der eher düstere Trotz, mit dem er seinem neuen Army-Job nachgeht, weicht langsam einem inneren Auftauen. Die grellen emotionalen Momente, mit denen Oren Movermann seinen Film in der ersten halben Stunde spickt, sind kaum auszuhalten. Die schreienden, verzweifelten Hinterbliebenen und ihre Schreie der Wut und Trauer im Angesicht des Verlustes gehen einem durch Mark und Bein. The Messenger ist kein Film über den Krieg sondern über Trauer und Schmerz. Immer wieder benutzt der Film dabei minutenlange Einstellungen, in denen er seine Figuren beobachtet wie auf einer Bühne. Die lange, rührend gescheiterte Annäherungsszene in einer Küche gehört zu den erstaunlichsten Begebenheiten, die man im Kino erleben kann.

Es gibt keine richtige Geschichte und doch ein stimmiges Ende. Zusammen mit Montgomery und Stone lernen wir die Varianten der Verzweiflung und wie man sich ihr entwindet. Einmal sagt Stone: Wenn es losgeht, schreien alle Hurra, aber wenn die Todesnachricht kommt, sind alle geschockt. Soldaten sterben nunmal.

Neben dem mal wieder überragenden Woody Harrelson ist Ben Foster als kriegsverletzer Montgomery gut besetzt. Samantha Morton als verstörte Kriegerwitwe ergänzt das Ensemble perfekt, und Steve Buscemi hat einen winzigen, sehr prägnanten Auftritt als wütender Vater: "Warum sind SIE nicht tot?!" herrscht er Montgomery an, der ihm die Nachricht vom Tode seines Sohnes überbringt. Dann spuckt er ihm ins Gesicht. Später wird er Montgomery spät in der Nacht aufsuchen und sich entschuldigen. "Es gibt nichts zu entschuldigen, Sir", wird Montgomery antworten. Im Sinne von: Da war nichts.

Thomas Friedrich

USA 2009 R: Oren Moverman B: Alessandro Camon, Oren Moverman K: Boby Bukowski D: Ben Foster, Woody Harrelson, Samantha Morton