MIAMI VICE

Phönix in Asche

Der Look wechselt, seine Bedeutung nicht

Pastellbunt war das Vorbild, prägend achtzigerhaft und zugleich cool und albern. 20 Jahre später ist Michael Manns Wiedergänger-Thriller in seinen besten Momenten dunkel glühend, humorlos und ein bisschen tragisch. "Neo Noir" nennt die amerikanische Kritik den Bild-Stil, der auch den hellsten Tag in Florida mit einer Ascheschicht überzieht, während in der glitzernden Nacht die Grenzen der Digitalkamera absichtlich sichtbar werden. "Chic" ist Miami Vice nicht mehr, aber stylish noch immer. Und für einen interessanten Look geht Michael Mann weiter über Leichen oder schießt sich selber Löcher in den Plot.
Crocket und Tubbs tragen teure Anzüge, fahren Sportwagen und Speedboat (sonst würde man sie ja gar nicht wiedererkennen). Aber Colin Farrell müsste jetzt dringend mal zum Friseur, und Jamie Foxx ist mehr streetwise als smart. Die beiden Stadt-Polizisten werden ans FBI ausgeliehen, um undercover an einen Drogenboss heran zu kommen und undichte Stellen in den eigenen Reihen zu finden. Sie spielen selber Drogen-Händler, sie transportieren ohne Dienstaufsichtsbedenken millionenschweren Stoff von Haiti nach New York, um in der Organsisation aufzusteigen. Sunny gräbt sogar die fatale Frau neben dem Thron an (Gong Li, überzeugend kantig und sehr schön). Und dann schlägt plötzlich, unlogisch, aber herzanreissend, der Fall in eine Affäre um. Dass die ein moralisches Drama ist, kann man Gong Li ansehen. Farrell und Foxx müssen es aussprechen: Weißt du noch, auf welcher Seite du stehst? Ja! Dann ist es ja gut. Alle Kriminalistik löst sich auf, Figuren verschwinden, statt Motiven haben der Bulle und das Mädchen lieber einen Mojito in Havanna. Für einen Moment.
Mehr als den Jahresetat der echten Miami-Polizei hat Michael Mann dafür ausgegeben, die glatten Oberflächen und scharfen Grenzen von Gesetz und Gangsterei aufzurauhen. Zuweilen wirken die Organisationen auf beiden Seiten austauschbar. Malerisch bröckelt der Putz in der Bar. Großkalibrige Autos schweben sonor blubbernd vorbei an verrosteten Industrie-Ruinen. Endlos lang tackern die Waffen im Showdown und klingen ganz unpathetisch dreckig dabei.
Umgekehrt opfert Mann jede Plausibilität dem Konzept. Eine zweite Romanze spiegelt die erste, eine späte Blutfontäne löst ein früher gegebenes Versprechen ein, und dass die undichte Stelle, der Verräter, der Auslöser des Films, am Ende nicht gefunden wird, ist verräterisch. Undichte Stellen, unaufgeklärte Geschichten sind hier geradezu die Minze im Drink. Mann macht aus Miami Vice, wenn schon weder Shakespeare noch Chandler, dann doch immerhin - na - sagen wir eine Siebziger Spätlese auf Eis.

WING

USA 2005 R+B: Michael Mann K: Dion Beebe D: Colin Farrell, Jamie Foxx, Gong Li, Naomie Harris, Luis Tosas