Mission: Impossible - Phantom Protokoll

Gimmicks mit Defekt

Amerika gegen Russland - die alten Zeiten kommen wieder

Mit fast fünfzig will es Tom Cruise noch einmal wissen. Seine Mitgliedschaft in "Scientology", peinliche Liebesschwüre in TV-Shows und eine zunehmend aus der Bahn laufende mediale Selbstüberschätzung hatten vor einigen Jahren zu einem rasanten Image-Einbruch des Hollywoodstars geführt. Seit Mission: Impossible III, der mit einen Einspielergebnis von knapp 400 Millionen weit hinter den erfolgsverwöhnten Erwartungen blieb, konnte Cruise im Kino keinen großen Hit mehr landen.

Nun schlüpft er noch einmal in die Rolle des Geheimagenten Ethan Hunt, die er sich als Produzent der Kinoadaption der TV-Serie seit 1996 selbst auf den Leib geschneidert hat. Der Plot erinnert an die Geheimdienstthriller aus den Zeiten des guten, alten Kalten Krieges. Der finstere Bösewicht Kurt Hendricks (Michael Nyqvist) will seine apokalyptischen Sehnsüchte ausleben, indem er einen Atomkrieg zwischen Russland und den USA anzuzetteln versucht und die Einsatz-Codes russischer Marschflugkörper in seinen Besitz bringt. Grund genug, den Meisteragenten Hunt zu reaktivieren, der praktischerweise gerade in einem russischen Gefängnis sitzt.

Die Befreiungsaktion zu Beginn des Filmes gerät zwischen Hi-Tech-Spielerei und Massenschlägerei zu einem gelungenen Auftakt. Wenig später fliegt dann auch schon der Kreml in die Luft, und weil die Russen glauben, dass Hunt hinter dem Anschlag aufs Allerheiligste steckt, wird das Titel gebende Phantom-Protokoll aktiviert, das jegliche Verbindungen zwischen Hunt und der amerikanischen Regierung kappt.

Ihm zur Seite stehen im Kampf gegen den Nuklearterroristen der Techniker Benji Dunn (Simon Pegg), die junge Agentin Jane Carter (Paula Patton) sowie der im direkten Einsatz unerfahrene Analyst Brandt (Jeremy Renner). Und so geht es im bewährten Globetrottermodus von Moskau über Prag nach Dubai und Mumbai.

Klarer Höhepunkt des Actionspektakels ist die Szene, in der Hunt in Dubai, nur mit einem Paar mangelhaft funktionierender Adhäsionshandschuhe bewaffnet, an der Glasfassade des Burj-Khalifa-Gebäudes, dem derzeit höchsten Haus der Welt, emporklettert - ein Stunt, den Cruise, wie die Produktion nicht müde wird zu betonen, selbst ausgeführt haben soll. Die Szene ist ein Fest der Höhenangst, und der abgebrühte Filmkritiker muss gestehen, hier mindestens zweimal laut im Kino aufgeschrien zu haben.

Die Regie für die vierte Folge hat Brad Bird übernommen, der bisher mit Die Unglaublichen und Ratatouille ausschließlich als Trickfilm-Regisseur unterwegs war. Das merkt man dem Film deutlich an, weil er auch die haarsträubendsten Actioneinlagen mit der Leichtigkeit und dem Witz des Animationskünstlers inszeniert. Bird bringt ein gutes Maß an Ironie in die bierernste Geheimdienstwelt und macht sich einen Spaß daraus, Hi-Tech-Hilfsmittel mit einigen lebensgefährlichen Defekten auszustatten.

Was "Phantom Protokoll" allerdings fehlt ist ein funktionierender dramaturgischer Bogen. Die Aneinanderreihung von guten Einfällen ergibt nicht zwangsläufig einen guten Film. Auffallend auch, dass diese vierte Mission deutlich mehr auf Teamarbeit setzt und mit dem Komiker Simon Pegg, der kampfkunstfertigen Paula Patton und dem konzentriert agierenden Jeremy Renner (The Hurt Locker) Tom Cruise als Alleinunterhalter entlastet. Phantom Protokoll ist ein solides Stück Actionkino, aber die goldenen Zeiten dieses Franchise-Unternehmens, das mit den ersten beiden Folgen von Brian De Palma und John Woo Genremaßstäbe setzte, sind wohl vorbei.

Martin Schwickert

Mission: Impossible - Ghost Protocol USA 2011 R: Brad Bird B: André Nemec, Josh Appelbaum K: Robert Elswit D: Tom Cruise, Jeremy Renner, Simon Pegg, Paula Patton