»DER MONDMANN«

Exzentrischer Showman

Milos Formans Portrait eines ungewöhnlichen Komikers


Milos Forman im Interview

Andy Kaufman ist hierzulande eigentlich erst durch den R.E.M.-Ohrwurm Man On The Moon populär geworden. In den USA hingegen hat der 1984 verstorbene Antikomiker längst Kultstatus erreicht. In den frühen 70ern hat Andy Kaufman den Humor revolutioniert. Seine Auftritte als Stand-Up-Komödiant stellten das Publikum vor eine harte Geduldsprobe. Die einen langweilten sich zu Tode und verließen empört den Saal, die anderen verfielen in hysterisches Gelächter und wurden zu treuen Fans. Milos Formans Kaufman-Hommage Der Mondmann beginnt standesgemäß mit einer Publikumsprüfung. Jim Carrey alias Andy Kaufman tritt ins Bild und verkündet den Kinozuschauern, dass dieser Film totlangweilig ist und schickt sie wieder nach Hause. Er legt eine Schallplatte auf und schleicht sich heraus. Der Originalabspann rollt über die Leinwand und bleibt mit dem Ende des Songs unvermittelt hängen. Kaufman betritt wieder die Bildfläche, scheucht uns erneut mit Nachdruck aus dem Saal und lässt die Platte nocheinmal laufen. Der Vorgang wiederholt sich, bis die Schmerzgrenze erreicht ist und Kaufman den Übriggebliebenen erklärt, dass der Film eigentlich gar nicht so schlecht sei und man sich nun im kleinen Kreis ungestört amüsieren zu könne.
Nach dieser gelungenen Einstimmung wechselt der Film zunächst ins konventionell Biografische, skizziert das mittelständische Elternhaus in Long Island, wechselt über zu den ersten gezielt peinlichen Auftritten in verrauchten Clubs, und konzentriert sich dann auf die Auseinandersetzung des querköpfigen Künstlers mit der etablierten Unterhaltungsindustrie. Widerwillig lässt sich Kaufman auf das Engagement in der TV-Sitcom Taxi ein und wird dort zum gefeierten Star.
Seine vertraglich zugesicherte eigene Fernsehshow wird jedoch zum ständigen Machtkampf mit der Sendeanstalt, besonders als er den aggressiven Anti-Entertainer Tony Clifton als Alter Ego einführt. Schließlich wendet sich Kaufman einer neuen Leidenschaft zu: Trans-Gender-Wrestling gegen ausschließlich weibliche Gegnerschaft. Im Ring lernt er zwar die Frau seines Lebens (Courtney Love) kennen, kämpft sich aber auch zunehmend ins künstlerische Abseits.
Auch im Privatleben verweigert Kaufman jeglichen Einblick hinter die Komikeridentität. Als er seinen wenigen Freunden erklärt, dass er an Leukämie erkrankt ist, halten das alle für einen besonders geschmacklosen Witz.
Nach Amadeus und Larry Flint beweist Milos Forman erneut sein Faible für exzentrische Außenseiter des Showbusiness. Forman mischt seine eher konventionelle Biopic-Dramaturgie mit gelungen rekonstruierten Performances des eigenwilligen Komikers. Jim Carrey spielt hier erfolgreich gegen seine eigenen festgefahrenen Humorstrategien an. Kein wildes Grimassieren, kein enervierendes Augengerolle, sondern präzise Metamorphosen zwischen den verschiedenen Kaufman-Egos. Auch wenn sich der Film auf dem Weg zum Sterbebett in bewährt Sentimentales verirrt, zeichnet Formans Mondmann das schillernde Porträt eines radikal-kuriosen Alleinunterhalters, der für Freunde, Publikum und Showbusiness Zeit seines Lebens unberechenbar blieb.

Martin Schwickert