MONSTERS BALL

Henkersliebe

Halle Berry verliebt sich falsch

Großvater, Vater, Sohn. Die Grotowskis sind eine Männerfamilie, in der es die Frauen einfach nicht ausgehalten haben. Ihre Grabsteine stehen im Garten, und das Gras, das über die Gräber wächst, wird mit dem Rasenmäher kurz gehalten.
Wie schon sein Vater (Peter Boyle) arbeitet auch Hank (Billy Bob Thornton) im Todestrakt eines amerikanischen Südstaatengefängnisses und lernt gerade seinen eigenen Sohn Sonny (Heath Ledger) an. Der Beruf gehört genauso zur Familientradition wie der offene Rassismus. Als Sonny mit einem schwarzen Häftling vor dessen Hinrichtung sympathisiert, führt das zum handgreiflichen Familienkonflikt, der mit dem Selbstmord des Jungen endet.
Obwohl Hank seinen Sohn nie geliebt hat, wirft dessen Tod ihn aus der Bahn. Er kündigt seinen Job, lässt sich durch die Tage treiben, bis er nachts auf verregneter Landstraße auf Letitia (Halle Berry) trifft, deren Sohn gerade angefahren wurde. Er bringt die Afroamerikanerin ins Krankenhaus, wo der Junge an seinen Verletzungen stirbt. Von den eigenen humanen Reflexen übertölpelt, beginnt sich Hank um Letitia zu kümmern, die seit dem Tod ihres Mannes von einem Schuldenberg erdrückt wird. Was sie jedoch - im Gegensatz zum Publikum - nicht wissen: ausgerechnet Hank war es, der Letitias Mann zum elektrischen Stuhl geführt hat.
Fünf Jahre geisterte das Drehbuch von Will Rokos und Milo Addica in Hollywood umher. Die Studios scheuten das Risiko und wollten den Stoff "publikumsfreundlicher" gestalten. Zum Glück sind die Autoren stur geblieben und haben schließlich in dem aus der Schweiz stammenden Regisseur Marc Foster einen Verbündeten gefunden. Foster entwickelt genau das richtige Gespür für dieses Südstaaten-Drama, weil er es auf gänzlich unamerikanische Weise inszeniert. Wie leicht hätte aus der Liebe zwischen dem weißen Redneck und der verlassenen, schwarzen Kellnerin ein multikulturelles Erbauungsspektakel werden können. Aber Foster inszeniert die Annäherung von Schwarz und Weiß nicht als antirassistischen Erkenntnisprozess, sondern als zufälliges Nebenprodukt des traumatischen Verlustes. Große Gefühle werden hier vollkommen ungeschwätzig verhandelt. Die ausgedehnte Sexszene, die das Interesse der US-Zensoren weckte, gehört zu den berührendsten Momenten des Filmes, weil hier die verkrusteten Seelen der Figuren in wortloser Intensität aufbrechen.
Halle Berry, die in Monsters Ball ihr glamouröses Image bereitwillig über Bord wirft, hat für ihre Rolle einen Oscar bekommen. Hier hat die Academy endlich einmal Courage bewiesen. Nicht weil nach 73 Jahren der erste Oscar an eine schwarze Hauptdarstellerin ging, sondern weil damit ein intimer, brennend beunruhigender Film ausgezeichnet wurde, der die amerikanischen Verhältnisse am offenen Herzen operiert.

Martin Schwickert

USA 2001 R: Marc Forster B: Milo Addica and Will Rokos K: Roberto Schaefer D: Billy Bob Thornton, Halle Berry, Heath Ledger, Peter Boyle