»DNA - DIE INSEL DES DR. MOREAU«

Mutantenstadl

H.G. Wells' Klassiker in plüschiger Neuverfilmung

Im Vorspann fliegen mikroskopische Aufnahmen von Kleinstgetier, Bilder von gewittrigem Unwetter, Raubtieraugen und rätselhafte Buchstabenkombinationen wild durcheinander. Der geübte Blick erkennt schon früh, daß in DNA Wissenschaft und ungestüme Natur miteinander in Konflikt geraten und es der Schöpfung gründlich an den Kragen gehen wird.
Zunächst aber treibt ein Mann in einer Rettungsinsel allein auf weiter See. Edward Douglas (David Thewlis) ist der einzig Überlebende eines Flugzeugabsturzes und wird von dem Wissenschaftler Montgomery (Val Kilmer) gerettet und auf eine einsame Insel verbracht. Ein solch schönes Eiland mitten im Pazifik mit viel Grün und noch mehr Sandstrand ohne Hotelbauten oder angrenzende Atombombentests stimmt skeptisch. Auf dem Weg ist keine Menschenseele zu sehen, und der Gastgeber sperrt den Geretteten in ein vergittertes Zimmer. Nächtliche Schreie in ungewohnten Tonlagen, seltsame Wesen in der Dunkelheit...
Das Geheimnis wird schnell gelüftet. Dr. Moreau (Marlon Brando), Nobelpreisträger in der Rubrik Genetik, ist Herr der Insel, die er als großflächige Versuchsanstalt nutzt. Wenn Marlon Brando als oberster Genmanipulator zum ersten Mal in einer Art Papamobil in die Szenerie getragen wird, dann ist er wieder in seiner alten Rolle. Aber Brando ist nicht nur dicker (sehr viel dicker), sondern auch älter geworden. Und so ist sein Dr. Moreau nicht mehr der satanische Bösewicht à la "Apokalypse Now", sondern eher einer, der es zu gut meint mit der Menschheit. Dr. Moreau setzt alles daran, durch Kreuzungen zwischen Mensch und Tier vollkommen friedfertige Wesen zu kreieren. Daß er dabei wenig auf das Äußere seiner Zuchtprodukte geachtet hat, ist das große Plus dieses Filmes. Wunderbar scheußlich hoppeln Mutanten unterschiedlicher Coleur über die Leinwand: pavianartiges Geschwulstgetier, Leopardenmenschen, Gnome, die aussehen wie zu schnell gealterte Embryone, unvorteilhaft behaarte menschliche Wesen. Zwischen der Stofftier- und der Fantasy-Spiel-Abteilung eines gut sortierten Warenhauses wurde hier kräftig hin- und hergeklont.
Wie die Bullterrierbesitzer hierzulande, so beteuert auch Dr. Moreau die Harmlosigkeit seiner Geschöpfe, die ihn anbeten und mit "Vater" anreden. Aber selbst ein Mann wie Brando baut heutzutage nicht mehr alleine auf sein Charisma. Und es haben alle Mutanten einen Chip im Körper, und wenn Dr. Moreau auf die Fernbedienung drückt, sinken sie vor Schrecken in die Knie. Irgendwann fliegt die Sache mit den Microchips auf und es gibt kräftig Zoff im Mutantenstadl. Die "Beastmen" werden endlich so böse wie sie aussehen sollen. Vatermord liegt in der Luft. Eine hübsche Frau (auch aus des Doktors Genetikkiste) braucht aus irgendeinem Grund ein "Anti-Regressionsserum", eine Flasche geht zu Bruch... genug erzählt.
Sicher, Gentechnik ist ein ernstes Thema. Im Kinofoyer liegen Unterschriftenlisten gegen genetisch manipuliertes Soja aus, und auch Regisseur John Frankenheimer, der hier einen Roman von H.G. Wells adaptiert hat, betont "die enorme Relevanz der Geschichte für die Welt von heute". Nur seinen Film kann man nicht ernst nehmen. Trotz aller modernen Spezialeffekte wirkt das Ganz so altmodisch wie ein früher Gozilla-Film, trotz hochkarätiger Besetzung verbreitet sich staubiger B-Movie-Charme und trotz kräftigen Dolby-Surround-Gekreisches mag man sich nicht so recht fürchten in diesem Fantasy-Spektakel

Martin Schwickert