MORD NACH PLAN

Traurige Femme fatale

Sandra Bullock im Polizeidienst

Barbet Schroeders Mord nach Plan beginnt mit einem Blick aus der Vogelperspektive: Zwei jugendliche Freunde sitzen einander gegenüber, halten sich die Pistole an die Schläfe und erneuern einen geheimen Pakt. Ein Schuss hallt durch die Klippenlandschaft und die Kamera springt zurück an den Anfang der Geschichte.
Niemand in der Schule ahnt, dass der blasse, zugeknöpfte Streber Justin (Michael Pitt) und Richard (Ryan Gosling), der Mädchenaufreißer und Sunnyboy aus gut betuchtem Elternhaus, miteinander befreundet sind. Vereint in einem Geheimbund halten sich die beiden 17jährigen für unschlagbar, und zum Beweis der unausgelebten Liebe planen sie den perfekten Mord. Justin hat die forensische und gerichtsmedizinische Fachliteratur penibel studiert, und Richard wird zur treibenden Kraft der tödlichen Befreiungstat. Im Unterholz findet die Polizei die Leiche eines Mädchens, und selbst eine erfahrene Kriminalistin wie Cassie Mayweather kann aus den wenigen Spuren keine brauchbaren Rückschlüsse ziehen. Sandra Bullock spielt die versierte Kommissarin, und schon in den ersten Minuten, in denen sie mit wegwerfender Geste an die männlichen Kollegen Donuts wie Taubenfutter verteilt, wird klar, dass sie hier ihr Image des netten Kumpelmädels über Bord geworfen hat. Ihr zur Seite gestellt ist Ben Chaplin ( Lost Souls ) als Sam - ein zurückhaltender Neuling in der Mordkommission, der nur zaghaft Einspruch erhebt, als seine resolute Vorgesetzte ihn abends vernascht und danach aus dem Bett wirft wie eine alte Socke.
Genauso wie die jugendlichen Täter ist auch das ungleiche Ermittlerpaar in seinen eigenen Machtspielchen verfangen, die dem verwinkelten Kriminalfall einen unerwarteten Drive geben. Die Spannung entsteht nicht aus der klassischen "whodunit"-Dramaturgie, sondern aus dem psychologischen Kräftemessen zwischen den größenwahnsinnigen Jugendlichen und der hartgesottenen Kommissarin. Sandra Bullocks Cassie ist mehr als nur der feminine Gegenentwurf zu den extracoolen, männlichen Genrekollegen. Ihre weibliche Cop-Figur ist eine tieftraurige Femme Fatale im Polizeidienst, die - ähnlich die Jodie Fosters Starling in Das Schweigen der Lämmer - mit eigenen traumatischen Erinnerungen zu kämpfen hat. Auch wenn Barbet Schroeders ( Weiblich, ledig, jung sucht ... ) Regiestil gelegentlich etwas unkonzentriert wirkt, überzeugt Mord nach Plan letztendlich durch seine stimmige, visuelle Atmosphäre und eine psychologische Mehrfachbeschichtung, wie man sie in den Fließbandproduktionen des Thrillergewerbes nur noch selten findet.

Martin Schwickert

Murder By Numbers USA 2002 R: Barbet Schroeder B: Tony Gayton K: Luciano Tovoli D: Sandra Bullock, Ryan Gosling, Michael Pitt, Ben Chaplin