SIEBEN MULDEN UND EINE LEICHE

Der Müll und der Tod

Thomas Haemmerli räumt hinter seiner Mutter her

Darf man das? Den Vibrator der verstorbenen Mutter kurz in die Kamera halten und schelmisch grinsen? Immerhin sagt Thomas Haemmerli nichts dazu. Viel mehr redet er über die Mühe, die man mit einer Leiche hat, die eine Woche lang auf der Fußbodenheizung verrottete. Und über den Monat, den er und sein Bruder brauchten, um die völlig vermüllte Wohnung der toten Mutter zu räumen. Überall hält Thomas Haemmerli die Digitalkamera drauf, schamlos, ehrlich, und immer mehr an schwarzem Humor interessiert als an Trauerarbeit.

Bei seiner Party zum 40sten Geburtstag ereilte Thomas Haemmerli die Nachricht vom Tode der Mutter. Er und sein Bruder hatten nur noch wenig Kontakt zu ihr und ihre Wohnung seit Jahren nicht mehr betreten. Jetzt nehmen sie uns mit und sind erstmal sprachlos. Bruna Haemmerli war ein Messie, sie hat alles aufgehoben, aufgestapelt, liegengelassen, wo es hinfiel.

Einen Monat lang graben sich ihre Söhne nun durch den Müll und montieren eine Art Biografie aus den Resten. Mutter hat mal Schmalfilme gemacht und wir sehen ihre frühen Experimente. Mutter hat mal mit Kofi Anan getanzt. Mutter hatte einen Jahrzehnte langen Rechtsstreit mit ihrem geschiedenen Mann. Mutter hat ihrer Mutter mal den Geliebten ausgespannt.

Hui, je tiefer die Haemmerlis beim Müllabtragen kommen, desto seltsamer werden die Geschichten, desto grotesker die Vergangenheitsbewältigungen. Der Sammler Haemmerli freut sich über jeden Fund und über jeden Knall, wenn alte Möbel aus dem Fenster in die Mulde fliegen. Einerseits entdeckt er staunend zerfledderte Geschichten und stockfleckige Geheimnisse, andererseits entsorgt er rabiat eine offensichtliche Lebensverstopfung. Er warf weg, er verschenkte, er verbrannte alles im Kamin. Die Filme und Familienfotos hat er natürlich aufgehoben, aber der Rest füllte sieben Abraum-Mulden. Und am Ende kam die Asche der Mutter ins Mittelmeer. Bloß wollte die Urne nicht untergehen. Sehr komisch.

In Messi-Netzwerken wird der Film schon als lehrreiche Doku-Komödie diskutiert, unter Eltern ist man eher entsetzt darüber, wie ein Sohn sowas rumerzählen kann. Und jeder, der mit dem Film zu tun hatte, ging anschließend in den Keller, aufräumen.

WING

Schweiz 2007, R: Thomas Haemmerli, K: Thomas & Erik Haemmerli, Ariana Kessissoglu, D: Thomas, Erik, Bruna und Jörg Haemmerli