»MY NAME IS JOE«

Working class hero

Ken Loach bleibt seinem Thema treu

Seit dreißig Jahren ist der britische Filmemacher Ken Loach im Geschäft und blieb dabei seinem politischen Stilwillen treu, ohne das Publikum zu vergraulen. Mit Filmen wie Riff-Raff , Raining Stones und Ladybird, Ladybird setzte er auch in den 90ern noch das Leben der Working-Class ungeschönt in Szene. Nach geschichtsträchtigen Ausflügen in die revolutionären Gefilde Spaniens und Nicaraguas wendet er sich jetzt wieder der sozialen Gegenwart Großbritaniens zu.
In der schottischen Industriestadt Glasgow ist die Zahl derer, die der Thatcherismus in absoluter Perspektivlosigkeit zurückgelasssen hat, besonders groß. Wer hier im Sumpf aus Arbeitslosigkeit, Drogenszene und Alkoholismus nicht untergehen will, muß kräftig rudern. Ken Loachs Titelheld Joe (Peter Mullan) ist einer, der gerade wieder den Kopf über Wasser hat. Seit einem Jahr ist der Aktivist der Anonymen Alkoholiker trocken. In einem heruntergekommen Sozialwohnungsbezirk trainiert er die mieseste Fußballmannschaft Schottlands mit dem Elan eines Proficoachs. Mit ausgeleierten WM-T-Shirts der deutschen Nationalelf von 1974 schleppen sich die Jungs über den schlammigen Bolzplatz. Klangvolle Namen wie Beckenbauer, Netzer und Grabowski zieren ihre Rücken. Über einen seiner Schützlinge lernt Joe die Sozialarbeiterin Sarah (Louise Goodall) kennen. Mit Vierzig fällt man nicht gleich vorbehaltlos übereinander her, und die Standesunterschiede zwischen der gut verdienenden Gesundheitsberaterin und dem arbeitslosen Ex-Alkoholiker machen das Liebesglück zu einer fragilen Angelegenheit. Als Joe sich, um einem seiner Jungs aus der Patsche zu helfen, gegen all seine Prinzipien auf einen Deal mit dem lokalen Drogenboß einläßt, setzt er damit auch die Beziehung zu Sarah aufs Spiel. Was als Milieukomödie beginnt, wird als Crime-Story weitergeführt und endet in einer alltäglichen Tragödie. Loach hält sich nicht an den Genreregeln fest und verzichtet auf die sorgfältige Ausgewogenheit von Komödien- und Tragödien-Elementen. Die Ausweglosigkeit, in die die Figuren hineintreiben, ist wie in vielen Ken Loach Filmen äußerst plastisch beschrieben. Daß man sich als Zuschauer trotzdem nicht aus der Geschichte verabschiedet, liegt an der Kraft, die der Film durch seine authentische Milieuschilderungen entwickelt und an den hervorragenden Schauspielern - allen voran Peter Mullan, der sich hier in der Rolle des Joe um Kopf und Kragen spielt und in Cannes dafür die "Goldene Plame" erhielt.

Martin Schwickert