MY WEEK WITH MARILYN

Nacktbaden mit Norma Jeane


Das Interview zum Film

Schwärmereien hinter den Kulissen eines schönen Scheins

Michelle Williams ist ein ganz anderer Typ Frau als Marilyn Monroe, auch wenn sie deren Posen und Marotten millimetergenau nach spielt. Trotzdem ist sie konzeptionell keine Fehlbesetzung, weil Marilyn Monroe, so weiß es der Mythos, ja in Wirklichkeit auch jemand ganz anderer war. Deshalb macht es gar nichts, dass das ehemalige Dawsons Creek-Fräuleinwunder, das spätestens mit Blue Valentine als überaus ernsthafte Schauspielerin in der Oberliga angekommen ist, hier sowohl den glamourösen öffentlichen Star als auch die eher zerknüllte, getriebene private Seite seltsam aufgesetzt spielt. Nicht im Ton der Echtheit, sondern sogar noch beim heimlichen Nacktbaden mit einem jugendlichen Verehrer im Bewusstsein des Scheins. Das war wohl zu kompliziert für die Oscar-Jury.

Kenneth Brannagh hingegen glaubt man den Laurence Olivier in jeder Sekunde. Fast bis zur Selbstparodie bläst sich der berühmte Theatermann auf, protzt vor dem aus Amerika angeworbenen Küken mit altenglischem Witz und Workmanship und vergeht zugleich vor Neid und Bewunderung, weil sie so glänzt, so natürlich ist.

Dazwischen steht ein junger Mann aus adligem Hause, der die Karrierepläne seiner Familie verlässt, um Künstler zu werden, speziell dritter Regieassistent bei Laurence Olivier und dessen Film "The Prince and the Showgirl". Den gab es wirklich und er schrieb ein Tagebuch über die Dreharbeiten, das gerade auf Deutsch erschien. Dieser Colin Clark wird zu Marilyns Vertrautem und erhascht ein paar Blicke hinter die Fassade.

Schauspieler Eddie Redmayne und Regisseur Simon Curtis spiegeln geschickt die Handlung des Films, dessen Dreh sie begleiten. Der Prinz, dort ein Operettenkönig, hier ein abtrünniger Jung-Lord, verguckt sich in das Showgirl, den Film-Star, beide reiben sich daran auf, dass ihre Flamme über die Stränge schlägt, und während dort der Potentat abreist und das Girl ihn trotzdem liebt, bricht hier der Star zu größerem Ruhm auf und lässt den Regieassistenten zurück. My Week with Marilyn gehört in einem Doppelprogramm eher zu Ich & Orson Welles als zu Insignificance. Es geht trotz der Optik weniger um die Monroe als um Berührungen und Beleidigungen beim Herstellen eines Traums. Und wer nicht für eine Woche mit Kenneth Brannagh oder Simon Curtis seine Familie verlassen würde, wird ihn nie verstehen.

Wing

USA 2011. R: Simon Curtis B: Adrian Hodges K: D: Michelle Williams, Eddie Redmayne, Kenneth Brannagh, Judy Dench