NAMESAKE

Der lange Blick

Über drei Jahrzehnte hinweg verfolgt Mira Nair das Schicksal einer indischen Einwandererfamilie in New York.

In den 70ern kommt Ashima (Tabu) durch eine arrangierte Ehe mit dem Literaturstudenten Ashoke (Irrfan Khan) ins verschneite Manhattan. Auch wenn sie sich über die Jahre langsam an die neue Heimat gewöhnt und sich allmählich in den fremden Ehemann verliebt, sieht sie immer noch, wenn sie aus dem Fenster auf den Hudson River blickt, die Bilder des Ganges vor sich. Ganz anders ihr ältester Sohn Gogol (Kal Penn), auf dessen Entwicklung der Film im zweiten Drittel seinen Fokus verschiebt. Als er Architektur studiert und eine schicke Upper-Middle-Class-Freundin hat, versucht Gogol, der sich jetzt Nick nennt, vollständig in die amerikanischen Kultur einzutauchen. Durch eine gemeinsame Reise nach Indien wird er sich seiner familiären Wurzeln wieder bewusst, aber erst nach dem Tod des Vaters lernt er langsam den Spagat zwischen den Kulturen als Bereicherung zu empfinden.
In The Namesake (nach dem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Roman von Jhumpa Lahiri) verliert Mira Nair trotz der epischen Breite ihrer Familiensaga nie die Sensibilität für die Figuren aus den Augen. Im Nebeneinander von großen dramatischen Wendungen und kleinen persönlichen Details, über die die Entwicklung der Charaktere vermittelt wird, liegt Nairs erzählerische Stärke.
Wie schon in Monsoon Wedding taucht Nair tief in den Kosmos einer indischen Familie ein. Ohne ins Idealisieren zu verfallen, zeigt sie die Kraft der familiären Bindungen, deren Elastizität in der Emigration auf eine besondere Probe gestellt wird. Der klassische Widerspruch zwischen Tradition und Moderne wird hier jedoch nicht, wie in vielen anderen Emigrantenfilmen, zum familiären Grabenkrieg. Nair zeigt die Widersprüche, aber auch den Reichtum, der aus dem Leben zwischen den Welten erwächst.

Martin Schwickert

USA 2006 R: Mira Nair B: Sooni Taraporevala nach einem Roman von Jhumpa Lahiri K: Frederick Elmes D: Kal Penn, Tabu, Irrfan Khan, Jacinda Barrett


Das Interview zum Film